Montag, 17. Oktober 2011
Wenn die Erde denken könnte in Facebook
Ich habe für diesen Blog mal eine Gruppe bei Facebook gemacht.

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Vielleicht interessiert es ja jemanden, denn via Facebook könnte man sicherlich auch interessante Unterhaltungen führen.

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Warum die Occupy-Bewegung keine „Führungsfiguren“ haben darf
Bereits in meinem letzten Beitrag habe ich angesprochen, dass die Occupy-Bewegung keine Führungsfiguren haben sollte. Es sollte natürlich eine Führung haben, aber eben keine spezifischen Figuren, mit denen die Bewegung sich selbst identifiziert und auch von außen identifiziert wird. Warum ich das so sehe, werde ich nachfolgend erläutern.

Führungsfiguren sind Angriffspunkte für den Gegner

Wenn man historische Ereignisse oder Bewegungen mit revolutionärem Charakter betrachtet, dann kann man feststellen, dass es vielfach idealistische Ideenstifter, Anführer, Revolutionsführer usw. gab, die alle mit hehren Zielen für eine (aus damaligen Gesichtspunkten) möglicherweise gute und gerechte Sache eingetreten sind und an der Spitze einer politischen oder revolutionären Bewegung standen. Man kann aber auch feststellen, dass es vielfach nach anfänglichen Erfolgen und positiven Veränderungen umschlägt. Die Basis solcher Bewegungen vertraut ihren Anführern und denkt, dass jetzt alles in Ordnung ist, unsere Führung wird das alles schon regeln. Sie stellen das aktive Denken sozusagen ein im blinden Vertrauen, dass einer der ihren sie schon nicht betrügen wird und damit begeben sie sich in eine passive Position. Dabei ist das Problem menschlich. Denn egal für wie charakterstark sich eine Führungsperson hält, sie bleibt dennoch ein Mensch. Damit ist sie käuflich und erpressbar. Käuflich ist jede(r), nur der Preis muss stimmen. Hinzukommt noch, dass die meisten Menschen sich zu verändern scheinen, wenn sie merken, dass sie Macht bzw. Einfluss über andere haben. Sie glauben unter Umständen unfehlbar zu sein, nehmen bestimmte Dinge nicht mehr wahr, vielleicht auch keine Kritik mehr. Sie geraten eventuell auch in ein System rein, das sie so eigentlich gar nicht wollten, das aber entstehen konnte, weil zu wenige Leute damit beschäftigt war.
Als Beispiel könnte man vielleicht die französische Revolution nennen, oder auch verschiedene „Revolutionen“ und Revolten aus Zeiten der späten Römischen Republik. Auch die Reformation könnte man anführen, oder die Oktoberrevolution unter Lenin. Alles schien mit eigentlich guten Ideen und Forderungen zu beginnen, endet aber dennoch im immer wieder gleichen System: Wenige beherrschen viele. Nicht umsonst hatten die Römer ihren erfolgreichen Feldherren beim Triumphzug jemanden hinter sie gestellt, der ihnen ständig zuflüsterte, dass auch er nur ein Mensch ist, gebracht es hat es bekanntlich wenig.

Jede Bewegung braucht natürlich eine Führung, aber keine Führungspersonen, an denen man die das Ganze festmachen kann. Denn dann etabliert sich über kurz oder lang eine Einstellung, in der die Richtung nur noch von wenigen vorgegeben wird. Diese Wenigen bilden den wunden Punkt der Bewegung, denn sie sind (früher oder später) käuflich, erpressbar und manipulierbar. Im Falle der Occupy-Bewegung wäre die beabsichtigte oder auch unbeabsichtigte Herausbildung von Führungspersonen genau das, was den Gegner der Occupy-Bewegung in die Hände spielt. Denn sobald sich herausstellt, dass die immer selben Personen den Ton anzugeben scheinen und die Richtung vorgeben und sie von der Basis beispielsweise als Helden oder Anführer gefeiert werden, wird der Gegner mit allen Mitteln versuchen diese Personen für sich zu gewinnen. Den Verführungen des Kapitals (so nenne ich das jetzt einfach) mal, kann niemand auf Dauer widerstehen.

Spontan muss ich da jetzt in diesem Moment an Leute denken, die sich in ihren Reden bescheiden geben und von Gerechtigkeit schwärmen, aber für jeden öffentlichen Auftritt einen Arsch voll Geld verlangen. Auch die Grünen kommen mir in den Sinn, sie sind in Teilen so wie die geworden, gegen die sie einst angetreten sind. Privat fallen mir viele „Alt-68er“ ein, die mal gute Ideen vertraten oder immer noch vertreten, aber in ihrem täglichen Handeln genau anders handeln und im Zweifelsfall jährlich einen neuen Benz kaufen, auch wenn es der Alte noch tut. Man könnte auch Joschka Fischer und Gerhard Schröder anführen. Man denkt, sie seien als Grüner und Sozialdemokrat die Antikapitalisten und Idealisten schlechthin, doch wurde unter ihrer Regierung ein fragwürdiger Krieg gegen Serbien geführt und die Banken von der Gewerbesteuer auf Kreditverbriefungen befreit. Auch Schröder und Fischer rannten und rennen trotz aller Ideale, die sie einmal gehabt haben mögen, dem Meistzahlenden hinterher und wurden und werden gekauft, um sich mit ihrem Einfluss für diverse Pipelines in der Ostsee oder im Mittelmeerraum einzusetzen.

Evolution statt Revolution

Klar gibt es auch in der Occupy-Bewegung immer Leute, die viel organisieren, sich stark einbringen, mehr machen als andere und dadurch evtl. auch etwas mehr im Rampenlicht stehen. Aber entscheidend ist dann, dass diese Leute, die von Massenmedien wie Spiegel-Online dann als „charismatische Führungsfiguren“ bezeichnet werden, sich aktiv aus einer vermeintlichen Führungsrolle herauswinden und beispielsweise mal jemand anderes vor die Kamera zerren. Vielleicht ist nicht jeder redegewandt oder überhaupt gesprächig, aber es gibt ein gemeinsames Ziel, das alle eint und zu dem jeder etwas sagen kann, dabei ist es erst einmal nebensächlich, ob er so sagen kann, dass er andere überzeugt oder einfach nur vorleiert. Wenn man jemanden mit der Art zu Reden überzeugt und nicht mit dem Inhalt, dann ist das sowieso nicht richtig. Nichtdenkende Mitläufer braucht niemand.
Gleichzeitig darf sich in der Basis der Occupy-Bewegung nie so ein Trott entwickeln, in dem die Leute denkfaul werden, ihr Gehirn abschalten und sich sagen: „Lass die das mal machen, die machen das jetzt schon so gut, die werden das auch weiterhin so machen.“. Damit übergibt man die Verantwortung an Wenige und stellt sich selbst in eine passive Position, in der das Denken wieder einmal andere übernehmen und das darf nicht passieren, sonst wird mittelfristig die Ernüchterung kommen, dass sich doch nichts geändert hat, weil die Menschen ja doch alle gleich sind.
Die Occupy-Bewegung sollte funktionieren wie ein Ameisenstaat, nur mit dem Unterschied, dass es keine Königin gibt und jede(r) selbst aktiv mitdenkt und mitwirkt und den anderen nicht nur unterstützt, sondern auch mal konstruktiv kritisiert und gewissermaßen kontrolliert – auch wenn das letzte Wort etwas unschön klingt (Transparenz könnte man es auch nennen). Es soll natürlich kein Kollektiv ohne Individuen werden, sondern man muss den Spagat schaffen zwischen Entfaltung von Individualität und einem Kollektiv (so nenne ich das jetzt mal), das basierend auf einem Grundübereinkommen zum Wohle aller geschlossen agiert. Detailfragen wird es immer geben und die werden auch nie für alle zufrieden stellend gelöst werden, aber sie sind meist auch nur Nebensache.
Sobald jemand aus diesem Schwarm ausschert, wird er oder sie ein leichtes Angriffsziel, darauf kann der Gegner seine ganze Kraft konzentrieren und dadurch wird er mit der Zeit immer Erfolg haben. Auch von Fischen kann man lernen. Die Führung kommt von allen und nicht von Wenigen.
Jede(r) muss jede(n) ersetzen können, dabei spielt es keine Rolle wie gut oder wie schlecht jemand eine Sache kann. Da fällt mir das Beispiel der finnischen Armee ein. Alle Soldaten werden in einer Gruppe werden so ausgebildet, dass jeder alle Aufgaben einer Gruppe übernehmen kann. Wenn ein Späher ausfällt, kann ein anderer seine Aufgabe übernehmen.
Bei der Occupy-Bewegung geht es natürlich nicht um Kriegsführung, sondern um eine Revolution oder vielleicht auch um eine gesellschaftliche Evolution. Wenn wir es schaffen, unseren Gegnern keine Angriffsfläche in Form von einzelnen Führungsfiguren zu geben, sondern es schaffen als Kollektiv gemeinsam zu handeln, dann ist vielleicht sogar etwas Neues möglich, eben eine Evolution. Ich glaube, dass es heute möglich ist, weil wir dafür die notwendige Infrastruktur in Form vom schnellen Austausch vieler Informationen haben. Was für die Ameisen die Duftspuren sind, ist für die Occupy-Bewegung das Internet.
Ich hoffe, es ist einigermaßen klar, was ich meine.

Ich habe Wolfram Sieners Auftritt bei Illner nicht gesehen, aber es wäre eine coole Aktion gewesen, wenn er mit einer Maske (beispielsweise der Guy Fawkes Maske, die man die ganze Zeit sieht) aufgetreten wäre. Damit hätte er unterstreichen können, dass es in dieser Bewegung um alle geht und es keine Personen gibt, an denen sich die Medien und der Gegner festnageln können. Falls sich herausstellen sollte, dass sich zu starke hierarchische Strukturen etablieren und sich tatsächlich Führungsfiguren herauskristallisieren, bin ich raus aus dieser Bewegung. Denn solche Bewegungen werden mittel- und langfristig immer scheitern. Ich bin aber zur Zeit ganz zuversichtlich, dass es diesmal anders laufen könnte, dass nicht nur eine Revolution, sondern eine Evolution stattfinden kann.

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