Montag, 11. März 2013
Moderne Zeiten – moderne Arbeitsplätze – moderne Sklaven
Noch kann man auf ARTE+7 eine interessante Dokumentation über das moderne Arbeitsleben bzw. wie sich die Menschen auf der Arbeit zur Selbstausbeutung bringen (lassen), sehen (Unten der eingebettete Link). „Work Hard – Play Hard“ ist zwar schon aus dem Jahre 2011, aber aktueller denn je. Zur Doku an sich sei angemerkt, dass sie leider manchmal etwas langatmig wird, aber deswegen sollte man sich nicht abschrecken lassen, da gerade dies auch dazu beiträgt, die aktuellen Erfindungen des Kapitals zur (Selbst)Ausbeutung der Menschen zu entlarven. Ebenfalls erwähnen möchte ich, dass die Kameraführung und die audielle Präsenz (Lautstärke erhöht?) der Hintergrundgeräusche natürlich verstärkend auf den Eindruck wirken, den man bekommt bzw, bekommen soll – das muss auch klar gesagt werden.


Big Brother und Minority Report

Das merkt man auch direkt am Anfang, als neue Bürokomplexe von Großkonzernen vorgestellt werden. Unter dem Deckmantel, dass moderne Büros nach den Wünschen der Mitarbeiter gestaltet werden sollen, mit „work spaces“ und „meeting points“, werden Selbstausbeutungfabriken präsentiert, die mich an Szenen aus diversen Science-Fiction Filmen erinnern. Leider bekomme ich nicht mehr alle zusammen, aber „Minority Report“ kam mir spontan in den Sinn.

Was soll man auch anderes denken bei futuristisch gestalteten Büros mit Bildschirmen, auf dem der „liebe Führer“ des Unternehmens theoretisch doch gleich (wie bei Robocop?!) alles anpreisen kann und dabei scheinbar jede mögliche Verfehlung, die er über Kameras beobachtet via Lautsprecher kommentieren kann. Ein durch Musik angekündigter Appell bei Unilever kommt dem schon nahe: „Wir sind gut, alles wird besser, usw…“.
Ein Bestandteil der psychologischen Tricks, um die Menschen zur Selbstverarsche zu bringen. Durch offene und unpersönliche Büros – einen festen Arbeitsplatz hat man in der Zukunft Gegenwart nicht mehr – entsteht auch der Effekt, den man durch keine Stechuhr erreichen kann – die freiwillige Selbstausbeutung bzw. Selbstverarschung der Mitarbeiter. Jeder kann jeden sehen und wer als Erstes nach Hause geht, muss damit rechnen sich schlecht zu fühlen. Was der Gesetzgeber durch Begrenzung der maximalen Arbeitszeiten, die das Kapital einst seinen Sklaven auferlegt hat, abgeschafft hat, wird nun durch den auf dem ersten Blick als positiv erscheinenden Verzicht auf Kontrolle der Arbeitszeiten erreicht – die fortgesetzte Ausbeutung bzw. Selbstausbeutung des Arbeiters (auch ein Sesselpupser ist letztlich nur ein einfacher Arbeiter des Kapitals).

Perfektioniert wird das Ganze durch die von SAP angebotene Personal-Überwachungs- und Bewertungssoftware, die zum Ende der Doku vorgestellt wird. Damit haben Unternehmen nun die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter und ihre Arbeitsleistung zu erfassen und zu bewerten, offiziell natürlich alles konstruktiv, ohne Zwänge und im Einklang mit aktuellen Gesetzen eingesetzt. Das ist der Traum des Kapitalisten, die Arbeiter in ihre eigene Selbstverarschung hineinzuverarschen und dabei den Eindruck zu erwecken, als seie alles freiwillig, ohne Zwang, etc.

Achja, eine Vorstellung von den Räumen der Zukunft mit der Illusion von Schönheit, Natur und der damit suggerierten Entspannung in einem eigentlich (luft)leeren und dunklen Raum, gab es schon bei Aliens:






Team-Building – Armeemethoden für die Arbeiterschaft

Weiter geht es mit den immer beliebteren „Team-Building“- und „Coaching“-Maßnahmen. Schick die Leute ganz einfach in den Wald, verbinde ihnen die Augen, schicke sie in ein Tunnelsystem und lasse sie dort unter bestimmten Regeln (z. B. erst eine Pfeife benutzen, bevor man reden darf) irgenwelche Aufgaben lösen. So soll aus einem Team ein noch besseres Team werden, das die eigenen Bedürfnisse hinter die des Kapitals stellt, für das es arbeitet bzw. die Bedürfnisse des Kapitals zu den eigenen macht, freilich ohne irgendeinen Vorteil daraus zu ziehen. Sie sollen quasi blind zusammenarbeiten, sich strikt an irgendwelche Vorgaben halten, alles für ein angeblich höheres Ziel. Dabei wird das ganze so verkauft, dass dieses höhere Ziel das Team, die Gemeinschaft sei. Dies stimmt leider nicht – der Kapitalist reibt sich die Hände – denn natürlich dient es nur ddem Kapital. Wieder eine Illusion an den Mann bzw. die Frau gebracht.
Solche Methoden kennt man übrigens aus dem militärischen Training. Eine Gruppe muss blind funktionieren, jeder muss sich auf den anderen verlassen können, jeder kennt seine eigene Aufgabe auch im Dunkeln und im Chaos und jeder dient nur dem einen Ziel. Dieses Ziel ist letztlich übrigens das Überleben der Gruppe. Beim Militär geht es um Leben und Tod, in der modernen Arbeitswelt geht es darum, den Aktionären von Großkonzernen in Zeiten von mangelndem Wachstum trotzdem ihre Profite zu sichern. Und der zur Selbstverarschung verarschte Arbeiter macht bereitwillig mit, schön über die Psycho- und Gruppenzwangschiene.


Die Lean-Lüge

Auch das Thema Lean wird vorgestellt, diesmal bei der Deutschen Post bzw. DHL. Über das Thema Lean hatte ich hier bereits ausführlich berichtet. Dabei soll der Eindruck vermittelt werden, dass eine durch die Mitarbeiter durchgeführte Wegrationalisierung ihrer selbst gar keine ist. Kennzahlen zur Leistungserfassung und der damit implizierte scheinbar freiwillige Zwang mehr und härter zu arbeiten, flache Hierarchien (letztlich ist das Kapital der Boss von allen, gleich ob Manager oder stinknormaler Lagerarbeiter) – das alles sind die Bestandteile der Lean-Lüge.


Der Systemfehler

Von den Fabriken des 19. Jahrhunderts über die Groß- und Kleinraumbüros des 20. Jahrhunderts sind wir angelangt zu den mit Anglizismen (klingt cooler, moderner und freier) versehenen Arbeitsflächen des 21. Jahrhunderts, in denen der Mensch sich fast wie zu Hause fühlen soll. Scheinbar freiwillig ordnet er sich auch aus der latenten Angst des Job- und Anerkennungsverlusts heraus, dem künstlich durch das Kapital erzeugten Gruppenzwang unter und glaubt auch noch selbst daran, dass alles in Ordnung sei. Eine besonders perfide aber geniale Idee. Irgendwann, mit Zunahme von Depressionen, Burn-Out und wer weiß noch was, werden bei einer zunehmenden Anzahl von Leuten die Scheuklappen abfallen und sie werden sehen welcher Veraschung sie dieses Mal anheim gefallen sind. Doch bis dahin wird sich das Kapital wieder eine neue Methode zur Ausbeutung der Menschen ausgedacht haben, helfen wird dabei die immer technisiertere Welt. Vielleicht wird es dann so sein, dass die Illusion geweckt wird, Maschinen würden (in Form von Robotern) für die Menschen arbeiten, aber in Wahrheit ist es umgekehrt.

Machen wir uns nichts vor, all diese Geschichten sind Auswüchse eines Systems, das längst zum Selbstläufer geworden ist. Ein System, dass der irrationalen Annahme eines stetigen (wirtschaftlichen) Wachstums als Schlüssel zum Wohlstand für alle anhängt. Dieses hirngespinstige Kartenhaus wird spätestens dann zusammenbrechen, wenn das ausgebrochene System von der Realität der begrenzten Ressourcen eingeholt und überrant wurde.

Und hier die Doku bei Arte 7:






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