Mittwoch, 21. September 2011
Anthropologen als Wegbereiter des Unheils?
Auf Arte+7 kann man noch einige Tage lang eine sehenswerte Dokumentation über die Auswirkungen von Forschungsexpeditionen auf das Volk der Yanomami, das zwischen dem Amazonas und dem Orinoco lebt, sehen.
Von dem gegenseitigen Andissen einiger bärtiger Anthropologen am Anfang der Dokumentation sollte man sich nicht abschrecken lassen. Abschreckend dagegen ist das Verhalten vieler Forscher, die im Namen der Wissenschaft Krankheiten zu diesem indigenen Volk gebracht haben. Der französische Anthropologe Jacques Lizot hat sich im Rahmen seiner „Feldforschungen“ sogar an kleinen Jungen sexuell vergangen. Ein anderer „Forscher“ wiederum war mit einem minderjährigen Mädchen der Yanomami verheiratet.

Wissenschaftler als Wegbereiter des Kapitalismus?

Ich persönlich hatte nach der Dokumentation den Eindruck bekommen, dass „Wissenschaftler“ und Anthropologen dem Volk der Yanomami Krankheiten, Tod und gravierende Veränderungen zu ihrem Nachteil gebracht haben. Generell habe ich mich gefragt, ob all die Forscher, die fremde Völker entdecken und angeblich wissenschaftlich untersuchen, nicht etwa Wegbereiter eines anderen Lebensstils, beispielsweise des Kapitalismus sind? Nachdem ein unbekanntes Volk durch Anthropologen „entdeckt“ und „erforscht“ wurde, ist es ja unvermeidlich, dass ihnen andere folgen werden. Und somit ist es langfristig wahrscheinlich auch unvermeidlich, dass diese indigenen Völker früher oder später in das Hamsterrad einer kapitalistischen Konsumwelt eingespannt werden. Mag sein, dass dies von den Forschern nicht beabsichtigt ist oder dass irgendwann sowieso jemand von Außen kommen würde, der ihr Leben entscheiden verändert, doch haben Wissenschaftler wie Anthropologen auch ihren Anteil daran.

Bei Arte+7 ist diese Dokumentation wie folgt beschrieben:

Die Yanomami sind die größte indigene und zugleich am besten dokumentierte Volksgruppe des gesamten nördlichen Amazonasgebietes. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erregte der amerikanische Anthropologe Napoleon Chagnon mit seinen Forschungsarbeiten zu den Yanomami Aufsehen. Sie schienen zu beweisen, dass diese Volksgruppe eine angeborene Gewaltbereitschaft besitzt. Chagnon war damals von der amerikanischen Atomenergiebehörde auch beauftragt, bei den isoliert lebenden Yanomami Blutproben zu entnehmen, um die Befunde mit denen japanischer Hiroshima-Opfer zu vergleichen. Er nahm die Stammesmitglieder für sich ein, indem er massenhaft Äxte und Macheten austeilte. So erhielt er die begehrten Blutproben sowie nähere Informationen über die Abstammung der Stammesmitglieder. Zusammen mit dem Filmemacher Timothy Asch drehte er Dokumentarfilme, um das kriegerische Wesen der indigenen Volksgruppe nachzuweisen. Ähnlich verfuhr der französische Anthropologe Jacques Lizot, der ebenfalls über die Yanomami forschte. Während sich Chagnon mit der Gewalt bei den Indianern beschäftigte, schrieb Lizot über die angeblich stark ausgeprägte Homosexualität in den Stämmen. Auch er verteilte freigiebig Gewehre und andere Waffen. Diese fragwürdigen Methoden stießen bei Menschenrechtsbewegungen auf Empörung. Nachdem der Aufenthalt von Chagnon bei der indianischen Bevölkerung Unruhe und Verstörung ausgelöst und zu neuen, oft tödlichen Krankheiten geführt hatte, erteilte die venezolanische Regierung ein Einreiseverbot.
Chagnon und Lizot haben im Amazonasgebiet ihre Spuren hinterlassen. Für die Yanomami bedeutet das Wort "Anthropologe" "Angriff". Ein Anthropologe ist für sie ein böser, unausgeglichener und launischer Zauberer. Der Dokumentarfilm schildert die Übergriffe auf das Yanomami-Gebiet, die in den letzten 40 Jahren im Namen der Wissenschaft verübt wurden.


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