Montag, 17. Oktober 2011
Mein Bericht über die OccupyFranfkurt-Demonstration vom 15. Oktober
Im Folgenden möchte ich meinen Eindruck und meine Meinung zu der gestrigen OccupFrankfurt-Demonstration mitteilen. Ich habe übrigens auch Fotos gemacht, bitte hier klicken.

Bedauerlicherweise kamen wir etwa eine Stunde zu spät. Wir waren erst um ca. 13 Uhr am Rathenauplatz. Allerdings waren wir nicht alleine, auch andere waren später dran. Nachdem wir etwas umhergeirrt sind, konnten wir die EZB doch noch finden. Toll wäre natürlich gewesen, wenn ein „Guide“ für die Nachzügler noch am Rathenauplatz geblieben wäre. Man hätte auch den richtigen Weg zur EZB mit deutlich sichtbaren Kreidezeichen auf den Boden anzeigen können. Vielleicht wäre das ja was fürs nächste Mal, wenn man es den Teilnehmern auch kommuniziert. Aber mit Fragen kommt man ja auch voran. :-)

Glücklicherweise sind wir nicht so lange umhergeirrt und stießen bald zur Kundgebung an der Europäischen Zentralbank. Es waren ja auch mindestens 5.000 Personen anwesend. Die Stimmung war friedlich und es gab viele interessante Plakate. Aufgebaut war eine Audioanlage, an der ein jeder seine Meinung kurz oder auch mal länger kundtun konnte. Wie zu erwarten, gab es natürlich einige, die diesen Protest auch vor Ort instrumentalisieren wollten, beispielsweise für ihre eigene Partei oder für Gott, wie es ein Redner getan hatte. An einer Stelle kam es wohl zu Tumulten. Ich konnte nicht genau erkennen worum es ging, aber es hat den Eindruck gemacht, als ob da jemand einem Redner das Mikrofon gewaltsam abgenommen hat. Die Lage hat sich aber bald wieder beruhigt.
Interessant war auch ein Redner, der behauptete, dass er seit einigen Monaten alleine vor der Firma Mömax, einem Möbelhaus, in Frankfurt demonstrierte. Er behauptete, dass man ihn mundtot machen wollte und kündigte an, weiter demonstrieren zu wollen. Allerdings versäumte er es mitzuteilen wofür oder wogegen er eigentlich demonstrierte. Ein späterer Redner teilte mit, das es offenbar darum ginge, dass Mömax seine Mitarbeiter schlecht behandelt und ausspioniert. Was an der Sache dran ist, habe ich jetzt nicht überprüft.

Da sich irgendwann auch der Hunger bemerkbar machte, legten wir einen relativ langen Weg zu einer Dönerbude in der Nähe der Frankfurter Einkaufsstraße „Zeil“ zurück. Ein windiger Würstchenbudenbesitzer hätte an diesem Samstag sicherlich ein gutes Geschäft gemacht, wenn er seinen Stand an der EZB aufgestellt hätte.
Auf der „Zeil“ bemerkten wir, dass die meisten Menschen doch lieber shoppen gehen, anstatt sich gegen ein ungerechtes System zu erheben (dies hatte auch einer der Redner angemerkt). Wahrscheinlich geht es den meisten noch zu gut und sie sind zu bequem, sich endlich aufzuraffen und für ihre Zukunft einzutreten. Bei vielen endet die Zukunft zur Zeit offenbar noch bei dem nächsten Konsumerlebnis, aber mit steigender Inflation und wachsendem Abbau von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen wird sich dies auch noch ändern.

Aufgefallen ist mir noch, dass sich auf der Demonstration auch einige Leute getummelt haben, die Werbung für ihre Bücher und Schriften gemacht haben. Das kam mir teilweise so vor, als ob es sich dabei eher um esoterische und pseudowissenschaftliche Werke handelt.
Jemand hatte gefälschte 10-Euro-Scheine verteilt, die mit einem Zitat und Hinweisen auf Youtube-Videos bedruckt waren. Einen davon haben wir am Rande der Kundgebung mal auf den Boden gelegt und beobachtet, wie die vorbeigehenden Leute darauf reagieren – so just for fun sozusagen. Viele bemerkten es nicht und gingen vorbei. Einige bückten sich freudig, um später leider enttäuscht zu werden (ja, es ist ja fies). Ein älteres Ehepaar, welches wir auch heimlich fotografiert haben, hat sich den schriftlichen Inhalt dieses falschen Geldscheines durchgelesen und sogar noch weitere Flyer von der Demo vom Boden aufgehoben. Immerhin wurden sie so möglicherweise auf das Thema aufmerksam gemacht.

Occupy Frankfurt in den Medien usw.

Eine ganz interessante Beobachtung konnte ich bei der Berichterstattung über die Occupy Frankfurt-Demo machen, insbesondere die Bilder betreffend. Die meisten Bilder, die in den Medien gezeigt werden, sind anscheinend vom Anfang der Demo. Auch sind immer wieder dieselben Aufnahmen zu sehen. Dass es auch länger als eine Stunde nach dem „Umzug“ zur EZB weiterging, wurde foto- und videotechnisch anscheinend weitgehend ausgeblendet. Na ja, die kriegen ihre Bilder teilweise eben auch nur von den Presseagenturen.

Wie zu erwarten war, springen jetzt natürlich auch all die Politiker auf den Zug auf und versuchen die Proteste für sich und ihre Parteien zu instrumentalisieren. Jetzt auf einmal wollen sie die Großbanken zerschlagen, wo sie sie doch all die Jahre so eifrig unterstützt haben. Vielleicht kann man es auch so sehen, dass die Finanzindustrie die Politiker losschickt, damit diese wieder das Ruder in die Hand nehmen und leere Versprechungen machen, damit sich das Volk in Sicherheit wiegt, aber in Wahrheit hinter den Kulissen keine Änderung stattfindet.
Diese Proteste sollten nicht von politischen Ideologien oder Religion instrumentalisiert werden. Nicht alle glauben an Gott oder an den Kommunismus. Aber man kann sicher einen Grundkonsens finden, wenn man eben nicht mit ideologischen Scheuklappen an die Sache geht, sondern offen, ehrlich und vernünftig die Sache mit Hilfe der eigenen Vernunft anpackt, mit dem Ziel eine bessere Situation für die Allgemeinheit zu schaffen. Schließlich scheinen bei der Occupy-Bewegung die verschiedensten Menschen geeint zu sein, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, nämlich eine gerechtere Welt mit weniger Ungleichheit. Dafür braucht man keine bestimmte Religion oder Ideologie.

Braucht die Occupy-Bewegung „Führungskräfte“?


Etwas skeptisch sehe ich auch den Spiegel-Online-Bericht über die „charismatische Führungsfigur“ Wolfram Siener der Occupy-Bewegung. Er wird von Spiegel-Online ja schon als „Revolutionsführer“ bezeichnet. Ich dachte eigentlich, dass die Occupy-Bewegung ohne eine richtige Führung auskommen sollte, das wäre ja eigentlich das Interessante. Denn früher oder später werden anscheinend ja (fast) alle „Revolutionsführer“ ekelhafte und korrupte Spießer, die ihre Ideale verraten, wie zum Beispiel Joschka Fischer. Allerdings fürchte ich mich selbst auch davor, irgendwann meine Ideale zu verraten und ein spießiges Arschloch zu werden, das sein Geld und sein Haus zusammen halten will. Solche Wandlungen scheint es ja häufiger zu geben, ist wohl menschlich.
Interessant wäre natürlich zu erfahren, wie Wolfram selbst zu diesem Spiegel-Artikel steht. Klingt in meinen Augen eher nach schlechter Publicity und ich muss – wie gesagt – direkt an Joschka Fischer und Co. denken. Diese Protestbewegung sollte ohne irgendwelche „Führer“ auskommen, denn wenn sich erst einmal eine „Führung“ beispielsweise wie in einer Partei etabliert hat, ist die Gefahr groß, dass die Richtung nur noch von dort oben vorgegeben wird und die breite Masse ihr Gehirn und ihren Protest- und Bewegungswillen abschaltet, weil sie dieser „Führung“ vertraut oder glaubt, dass die Ziele bereits erreicht wurden. Eine kleine, möglicherweise intransparente Führung ist leichter zu beeinflussen und zu bestechen, als eine breite Masse, in der jeder eine Meinung hat und sich jeder selbstständig informiert. Niemand ist perfekt und unseren Gegnern würde man es sehr einfach machen, wenn wir ihnen eine „Führung“ anbieten würden. Wie lange könnte diese „Führung“ den Verführungsversuchen des Gegners mit seinen materiellen Möglichkeiten widerstehen? Wenige sind leichter zu kaufen oder zu erpressen als viele und leider sind die meisten Menschen unter bestimmten Umständen früher oder später käuflich/bestechlich – wie ich finde.


P.S.: Bei der Kundgebung hat mich eine Rede noch mal an „ethische Banken“ bzw. “ethisches Investment“ erinnert. Sicherlich eine interessante Sache, die ich mir jetzt endlich mal genauer anschauen muss.

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