Montag, 21. Mai 2012
Blockupy-Demonstranten schießen auf Polizei...
…könnte man meinen, wenn man diesem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Blockupy-Demonstration am 19. Mai Glauben schenkt.
Darin steht nämlich folgender Satz:

An der Kurt-Schumacher-Straße zündeten Vermummte Feuerwerkskörper, Steine und Leuchtspurgeschosse flogen in Richtung der Beamten.


Leuchtspurgeschosse bzw. Leuchtspurmunition wird beispielsweise in Maschinengewehren verwendet, um gerade im Dunkeln besser sehen zu können wohin man schießt. Es handelt sich also um Kriegsmunition und man könnte folgern, dass die Demonstranten mit mindestens einer automatischen Waffe auf die Polizei gefeuert hätten. Das ist natürlich völliger Blödsinn.

Nur ist das wieder mal ein typisches Beispiel dafür, wie wenig Ahnung manche Journalisten eigentlich haben, jegliche Waffe ist immer gleich ein Maschinengewehr, jeder Böller-Furz eine (schwere) Detonation. Bei politisch rechten Zeitungen wie der FAZ kommt natürlich noch hinzu, dass sie gerne Bewegungen wie Occupy/Blockupy diskreditieren, da kann die Wortwahl nie martialisch genug sein, damit beim naiven Leser natürlich eine bestimmte Wirkung erzeugt wird.


Irreführung durch die Polizei

Die FAZ hat die Sache mit dem angeblichen Leuchtspurgeschoss bei dem offiziellen Bericht der Frankfurter Polizei abgeguckt, nach welchem ein Beamter von einer „Leuchtspurkugel“ „getroffen“ wurde.
Wenn jemand mit Leuchtspurmunition auf die Polizei geschossen hätte, wäre die Demonstration sicher nicht friedlich geblieben. Viele Journalisten kapieren das dann doch und haben die Sache gar nicht erwähnt, aber die von der FAZ konnten oder wollten das nicht.

Die Aussage der Polizei, dass ein Beamter „mit einer Leuchtspurkugel getroffen“ wurde, kann man allerdings auf drei Arten verstehen.

1. Die Leuchtspurkugel wurde nach ihrer vorgesehenen Verwendungsart benutzt und von einer Waffe abgefeuert. Das ist natürlich völlig unwahrscheinlich, die Polizisten lassen ganz sicher nicht einfach so auf sich schießen.

2. Die Leuchtspurkugel wurde auf einen Beamten geworfen. Nur was soll man davon halten, ist das erwähnenswert? Da müssten sie ja von jeder Papierkugel berichten, die die Polizisten auf den Helm geworfen bekommen.

3. Die Leuchtspurkugel ist ein Hirngespinst der Polizei.

Wie es bei diesem Detail auch sein sollte, man erkennt die Absicht der Polizei und auch der FAZ, die friedlichen Demonstrationen zu diskreditieren. Falls jemand von einer „Leuchtspurkugel“ getroffen worden sein soll, dann ist es gewaltiger Unterschied, ob dieses abgefeuert oder geworfen wurde. Da sollte man schon genaue Angaben machen, wenn so etwas überhaupt schon erwähnt wird. Eigentlich nur eine Kleinigkeit, aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail.




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Sonntag, 20. Mai 2012
Bericht von der Blockupy-Demo am 19. Mai 2012




Etwa 20.000 Menschen haben am gestrigen Samstag friedlich gegen die Macht der Banken und des Kapitals in Frankfurt am Main demonstriert. Die Blockupy-Proteste wurden von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet, das sich letztlich als übertrieben herausgestellt hat. Die von der Finanz- und Politelite erhofften Ausschreitungen sind nicht eingetreten. Das Ausmaß der polizeilichen „Sicherheitsmaßnahmen“ wurde durch die kreativen und friedlichen Protestierenden ad absurdum geführt.
Die Behörden behaupten natürlich, dass es nur so friedlich war, weil sie ein solch massives Polizeiaufgebot gegen ihr Volk haben aufmarschieren lassen, aber weniger Beamte hätten es sicherlich auch getan. Wissen wird man es natürlich nie genau.
Das Gros der Demonstranten wäre meiner Meinung nach auch ganz ohne Polizei friedlich gewesen, einzig der so genannte „Schwarze Block“ kann seinen Frust wohl nicht immer kontrollieren. Aber dafür war der Schwarze Block ja von einem noch massiveren schwarzen Block aus Polizisten umrahmt, die aussahen wie mittelalterliche Ritter, nur ohne Pferd. Da gab es natürlich ein paar kleine Auseinandersetzungen, aber nichts gravierendes, denn auch der Schwarze Block war im Großen und Ganzen friedlich. Der Großteil der Polizisten wäre beim Relegationsspiel des Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC wohl besser aufgehoben gewesen, aber scheinbar werden Kapitalismuskritiker mittlerweile mehr kriminalisiert als gewaltbereite Fußball-Hooligans.


Schönes Wetter, schöne Demo

Wir selbst kamen pünktlich zur Demo, die ersten Polizisten begegneten uns an einem Ausgang des Frankfurter Hauptbahnhofes. Biler gibt es übrigens hier. Von dort ging es zu Fuß über angenehm verkehrsberuhigte Straßen zum Baseler Platz, wo der Demonstrationszug seinen Anfang nahm.
Dort war bereits eine große Menge demonstrierender Menschen, deren Anzahl bis zum Beginn des eigentlichen Demonstrationszuges noch weiter anwuchs.
Insgesamt waren viele Gruppierungen vertreten, die politisch links zuzuordnen sind. Die Protestler waren aber bunt gemischt. Alte, Junge, Studenten, Schüler, Rentner, Arbeitnehmer, Familien mit Kindern, von denen sicher nicht alle unbedingt Anhänger der Linken, Grünen oder SPD sind. Sogar einige ganz offensichtliche Yuppies mit ihrer Trophy-wife waren vor Ort. Meinem Begleiter fiel auf, dass die Kirche gar nicht vertreten war, anders als bei dem Occupy-Protest am 15. Oktober vergangenen Jahres – zumindest sind uns keine aufgefallen.
Gut gefallen haben mir viele Sprüche auf den Plakaten und Transparenten. Einige Kostüme und Zeichnungen waren sehr kreativ. Die Stimmung war gut und hoffnungsverheißend.
Untergwegs musste der Demonstrationszug einige Male anhalten, da hintere Teile aufschließen mussten. Offenbar war da manchmal die Polizei dazwischengegangen und hat den Fluss der Protestierenden unterbrochen. Das war eine gute Gelegenheit, um den Flüssigkeitsstand im Körper wieder (mit Wasser) aufzufüllen, es war nämlich sehr heiß. Bemitleidenswert können einem die Polizeibeamten da nur vorkommen, die sich in ihren Kampfritterrüstungen wohl vorgekommen sein müssen wie in einer Sauna. Zu ihrem Glück waren es laut Wetterbericht nur 23°C.

Mit auf der Demo waren auch Politiker der Linke, darunter Sahra Wagenknecht, sexy gekleidet in rot. An Lafontaines Stelle hätte ich die auch genommen hehehe :-)

Auf dem letzten Abschnitt der Strecke ging es vorbei an den hässlichen Machtzentren der Deutschen Bank und anderer Banken. Die Monstren, die in diesen Gebäuden hausen, bauten sich eine Mauer aus Polizisten um ihre Häuser. An genau dieser Stelle war es sicherlich auch angebracht, da es immer schwieriger wird, die Wut des Volkes auf diese geldraffenden Banker zurückzuhalten. Zum Glück für Finanz- und Politelite ist ja bald die Fußball-EM, damit der „Pöbel“ wieder vom eigentlichen Problem abgelenkt ist.

Zum Abschluss der Demonstration fand eine Kundgebung in der Nähe des EZB statt, allerdings hatte ich das Gefühl, dass sich zu diesem Zeitpunkt wieder viele auf den Weg nach Hause machten oder zu einem der Kioske zwischen EZB und Hauptbahnhof, um sich ein kühles Bier zu genehmigen. Die Kioskbesitzer in der Kaiserstraße haben sicherlich ein gutes Geschäft mit den Demonstranten gemacht.

Ein besonderes Higlight begegnete uns noch zu Ende der Demo, ein selbstgebasteltes „Fahrrad“ mit Sofa vorne, Lautsprechern an den Seiten und Grill am Heck. Sehr cooles Gefährt. Da kam mir die Idee, dass es doch ganz witzig wäre mit mehreren solcher Gefährte unterwegs Würstchen zu grillen und diese zum Selbstkostenpreis zu verteilen. Vielleicht auch an die Polizeibeamten, die mitgelaufen sind, denn sie sind ja eigentlich auch nur Befehlsempfänger und Opfer dieses Systems. Die Blockupy-Demonstranten waren auch für sie auf der Straße. Die Polizeibeamten, die einen Systemwechsel im Auftrag des Kapitals heute noch hinauszögern, sind morgen wahrscheinlich schon die Angestellten eines neuen Systems, darüber sollte man sich auch im Klaren sein. Und in Bezug auf die Würstchen: Mit vollem Magen kämpft es sich schlechter ;-)

Abschließend muss ich dennoch feststellen, dass vielen Menschen noch nicht klar ist, dass dieses System am Ende ist und jede Verzögerung beim Wechsel in ein (hoffentlich) gerechteres System nur mehr vermeidbare Probleme bedeutet. Anscheinend lassen sich die Massen erst mobilisieren, wenn es soweit gekommen ist, dass es ihnen schlecht geht, sonst wären auch viel mehr Leute demonstrieren gewesen.



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Sonntag, 20. Mai 2012
Bilder von der Blockupy Demo am 19. Mai 2012 in Frankfurt
Hier ein paar Bilder von der heutigen Blockupy Demo in Frankfurt. Bericht folgt morgen oder so. Bitte auf das Bild oder hier klicken.









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Freitag, 18. Mai 2012
Blockupy Frankfurt – Demonstration am Samstag, den 19. Mai
Schnauze voll von der Allmacht der Banken, den schmutzigen Geschäften der (Finanz)wirtschaft und ihren Schoßhündchen aus der Politik? Wut im Bauch? Dann hör doch auf Deine Frau zu schlagen oder Deine Wut an Gegenständen oder anderen Lebewesen auszulassen und schrei Dir am Samstag, den 19. Mai die Wut aus dem Bauch. Zeig denen da oben, dass Du keinen Bock mehr auf ihr Scheiss-System hast! Um 12 Uhr am Baseler Platz in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs geht es los. Zeige Präsenz gegen das, was Dich kaputt macht!

Wichtig: Friedlich bleiben, denn Gewalt ist genau das, was die herrschende Kaste will. Nur friedlich kann man sie endgültig zerstören.

http://blockupy-frankfurt.org/actiondays/demobild

Ich werde auch dabei sein und am Wochenende über die Demo berichten - mit Bildern.


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Mittwoch, 16. Mai 2012
Finanzelite lässt Occupy Camp räumen, um Gewalt zu provozieren
Heute Vormittag hat die Polizei im Auftrag der herrschenden Polit- und Finanz-Kaste das Occupy Camp vor der EZB in Frankfurt am Main geräumt. Die Räumung erfolgte weitgehend friedlich. Die Demonstranten leisteten passiven Widerstand. Angesichts der anstehenden Blockupy-Protesttage gaben Banker, Geschäftsleute und ihre Marionettenpolitiker an, dass von den friedfertigen Demonstranten im Occupy Camp eine „Gefahr“ ausginge.
Man könnte schreiben, dass dies ein schwarzer Tag für die Demokratie wäre – wenn wir denn eine echte Demokratie hätten. In dieser Pseudo-Demokratie, in der nicht die Wünsche des Volkes, sondern die einger weniger „Eliten“ erfüllt werden, ist die Auflösung einer friedlichen Demonstration ein ganz normaler Vorgang, nichts besonderes also.


Ein Systemwechsel ist unvermeidlich

Sicher werden Frankfurter Banker und ihre Komplizen hocherfreut darauf anstoßen, dass sie nun nicht mehr täglich an ihre eigene Überflüssigkeit und Schädlichkeit für alle Lebewesen erinnert werden. Allerdings sollten sie sich auch im Klaren darüber sein, dass die Zeit gegen sie läuft. Ihr gesellschaftlich-wirtschaftliches System der Ausbeutung und Verhinderung echter Demokratie ruht auf dem Irrglauben, dass gewisse Umstände dauerhaft und in gleichem Ausmaß bestehen bleiben. Die ihrem System zugrunde liegende Annahme, dass (wirtschaftliches) Wachstum und Rohstoffe grenzenlos sind und die Masse der Menschen sich ewig hinters Licht führen lassen, ist falsch. Der wachsende Widerstand gegen ihr System äußert sich in wachsenden Bewegungen wie Occupy, antikapilistischen Gruppen, außerdem zunehmender Frustration und Politikverdrossenheit der Bürger.
Selbst wenn sie Occupy tausendmal räumen lassen, ist ihr eigener Niedergang und der Wechsel zu einem hoffentlich besseren und gerechteren System nicht aufzuhalten. Wir sind derzeit an einem historischen Scheitelpunkt, an dem sich die rücksichtslose Ausbeutung des Planeten und das Wohlstandsleben auf Kosten anderer Menschen zu rächen beginnen. Die globale „Elite“ sitzt auf einem Pulverfass und wird nicht mehr alle zum Fass führenden Zündschnüre austreten können.


Zweck der Räumung ist die Erzeugung von (mehr) Gewalt

Ich bin mir außerdem sicher, dass die Räumung des Occupy Camps, die Chancen auf gewalttätige Auseinandersetzungen im Rahmen der Blockupy Proteste eher erhöht als verringert. Jetzt gibt es sicher nicht wenige, die nun die Schnauze erst recht voll haben und vielleicht auch Lust verspüren sich für die Auflösung des friedlichen Occupy Camps an den materiellen Gütern der besagten „Herrscherkaste“ zu rächen. Ich kann das verstehen, denn die Räumung des Occupy Camps war ungerecht und völlig unnötig.
Wenn ich mir die Gesichter der an der Räumung beteiligten Polizisten anschaue, habe ich das Gefühl, dass sie ähnlich denken und wissen, dass ihnen diese Räumung, welche ihnen von Politikern und Finanzwirtschaft aufgezwungen wurde, die Chance auf ein gewalttätiges Wochenende erhöht.
Wahrscheinlich ist es genau das, was diese „Elite“ will. Sie verursachen gezielt eine solche Ausgangssituation, die wahrscheinlich zu Gewalt aus Frust führen wird. Denn dann können sie sagen, sie hätten es ja vorausgesehen und deswegen Geschäfte in Frankfurt geschlossen und Feste abgesagt. Außerdem können sie dann wunderbar jegliche Kritik an ihrem Scheiss-System in eine gewalttätige Ecke drängen und alle Gegner ihres System dadurch diskreditieren.
Was würde wohl passieren, wenn die Blockupy Proteste völlig friedlich verlaufen würden? Dann hätten die Frankfurter „Eliten“ ihre medial aufgebauschten Ängste ja umsonst gehabt und am Ende würden noch mehr Menschen (inklusive Polizisten) mit den Ideen ihrer Gegner symphatisieren. Dann bestünde ja die Gefahr, dass noch mehr Menschen erkennen, wer hier der „Böse“ ist.
Mit der Auflösung des friedlichen Occupy Protests aber haben die Machthaber aus Politik und (Finanz)wirtschaft bewusst Öl ins Feuer gegossen, denn sie müssen Gewalt provozieren, um den Protest an ihrem System diskreditieren zu können. Dabei helfen ihnen leider ein Großteil der Medien und der Polizei.

Was die Rolle der Polizei bei diesen Volksprotesten gegen das vorherrschende System angeht, sage ich nur folgendes:

Der Hund wird vielleicht doch einmal in die Hand beissen, die ihm den Knochen reicht, wenn er merkt, dass ihm ansonsten der Boden unter den Füßen verschwindet.





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Freitag, 10. Februar 2012
Occupy-Bewegung am Ende?
Der FR-Artikel über die Räumung des letzten Occupy-Camps In Washington D.C. könnte Sorgen wecken, dass es wieder einmal nicht geklappt hat und dass die Großen wieder einmal gewonnen haben. Man könnte meinen, dass die so hoffnungsvoll begonnenen weltweiten Proteste, welche unserer Gesellschaft die Scheuklappen von der Stirn reissen wollten, von den Mächten des Kapitals, des Konsums und der Bequemlichkeit der Massen zurückgerissen wurden.
Doch, wie eine Person, die den Artikel kommentierte, es ebenfalls formulierte, ist es wahrscheinlich nur eine Winterpause. Trotz jüngster Jubelmeldungen über Wachstum und positive Konjunktur, kann nicht auf Dauer verdeckt werden, dass wir uns derzeit auf einem Weg in den Abgrund befinden, den es schnellstmöglichst zu verlassen gilt. Die Probleme der Welt werden durch Pseudo-Wirtschaftswachstum nicht weniger und Brot und Spiele können auch nicht dauerhaft die Gemüter besänftigen bzw. täuschen. Gut möglich, dass ein allgemeines Erwachen erst eintritt, wenn es bereits zu spät ist, doch braucht auch eine Revolution, Evolution und Veränderung eine Verschnaufspause.

Irgendwie passend dazu habe ich ein Zitat von Ryszard Kapuściński gefunden, das ich hier wiedergeben möchte.

„[…]Die Staatsmacht provoziert die Revolution. Zwar nicht bewusst, aber ihr Lebensstil und die Form ihres Regierens werden schließlich zur Provokation. Diese Entwicklung tritt ein, wenn sich innerhalb der herrschenden Elite das Gefühl der Straflosigkeit breit macht. Uns ist alles erlaubt, für uns existiert kein Gesetz. Das ist eine Täuschung, die allerdings nicht einer rationalen Grundlage entbehrt. Denn tatsächlich könnte man für einige Zeit meinen, den Herrschenden wäre alles erlaubt. Ein Skandal nach dem anderen, ein Unrecht nach dem anderen bleibt ungestraft. Das Volk schweigt, übt sich in Geduld und Vorsicht. Es hat Angst und spürt noch nicht die eigene Kraft. Gleichzeitig führt es peinlich genau Buch über die Erniedrigungen, um zum gegebenen Zeitpunkt Bilanz zu ziehen. Die Wahl dieses Zeitpunktes ist das größte Geheimnis der Geschichte. Warum gerade an jenem Tag und nicht einem anderen? Warum wurde er durch dieses Ereignis heraufbeschworen und nicht durch ein anderes? […]“

Sicher hat Kapuściński diese Worte in Hinblick auf Revolutionen und Staatstreiche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts niedergeschrieben, doch kann man sie auch auf unser pseudo-demokratisches System beziehen, in dem sich Banker, Politiker und Wirtschaftsbosse einen Skandal nach dem anderen leisten, die dann kurz in den Medien aufflammen, um auch sogleich wieder durch die Medien unter den Teppich gekehrt zu werden. Doch der ganze Schmutz, der unter den Teppich gepresst wird, kommt irgendwann hervor, wenn dem Teppich die Nähte reissen, weil man so viel Dreck nicht einfach dauerhaft verbergen kann.
Das Zitat ist übrigens aus Kapuścińskis Buch „Die Erde ist ein gewalttätiges Paradies“.

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Sonntag, 8. Januar 2012
Occupy Helsinki
Ich hatte kürzlich die Gelegenheit bei Occupy Helsinki vorbeizuschauen, ein bisschen mit den Leuten dort zu reden und ein paar Fotos zu machen. Ich habe ein paar Fragen gestellt und mir ein bisschen was von den dortigen Problemen und Ideen erzählen lassen. Da dies aber eine recht spontane Idee war und zudem noch einen Tag nach Silvester, war mein „Interview“ mit einem der Occupyler eher unsystematisch und ich habe auch nicht alles aufschreiben können. Möglicherweise ist aber dennoch etwas dabei, was den einen oder anderen, vielleicht auch aus einem deutschen Occupy Camp, interessiert. Fotos vom Camp findet ihr hier.




Marktversammlungen

Die „Marktversammlung“ bzw. „torikokous“ wie sie dort genannt wird, findet in Helsinki gegenüber dem finnischen Parlament auf einer Wiese statt, direkt neben den Brandruinen ehemaliger Eisenbahnlager („makasiinit“) und in der Nähe des Bahnhofs. Occupy Camps bzw. Gruppierungen gibt es in Finnland noch in Turku, Vantaa, Tampere und Jyväskylä.
Im Occupy Camp in Helsinki sind ca. 10 bis 20 Personen (und ein Hund) ständig präsent. Erkennungssymbol der finnischen Occupy Bewegung soll eine Laterne sein, von der ich allerdings jetzt auf die schnelle keine Abbildung besorgen konnte und natürlich habe ich vor Ort auch vergessen noch mal danach zu fragen.


Das Camp in Helsinki

Als ich dort war bestand das Occupy Camp in Helsinki aus einigen Zelten, darunter je einem finnischen und einem schwedischen Armeezelt, die beide mit einem Holzofen geheizt werden können und einigen Holzaufbauten. Der finnische Militaria- und OutdoorVersand „Varusteleka“ hat eines der Armeezelte zum halben Preis zur Verfügung gestellt. Ein starker Sturm hat am 26. Dezember 2011 allerdings zwei Zelte zerstört.
Geschlafen wird im finnischen Armeezelt, das recht geräumig ist. Der Boden des Zeltes ist mit Pflastersteinen und darauf liegenden Holzplatten ausgedeckt. Außer Holzöfen werden auch Gasheizungen zum Aufwärmen genutzt.
Besonderes Highlight aus deutscher Sicht ist sicherlich der Wohnwagen, der zu einer Sauna umgebaut wurde. Die Sauna dient als Waschstelle und wird auch mit Holz geheizt.
Im Küchenzelt steht ein Herd, der mit Gas betrieben wird.


Termine und Pläne in Helsinki bzw. Finnland

Entgegen meiner persönlichen Erwartungen, ist das Leben im Occupy Camp von Helsinki recht aktiv. Neben den standardmäßigen, täglichen Versammlungen um 18 Uhr Ortszeit, finden auch besondere Events statt, wie z. B. eine Silvesterparty. In Helsinki stehen auch noch einige andere Termine an, so zum Beispiel ein alternatives Wirtschaftsforum am 25. Januar und ein Musik-Event am 17. Februar.

Occupy Finnland bzw. Helsinki hat das ehrgeizige Ziel eine demokratisch geführte Genossenschaftsbank zu gründen. Dafür muss allerdings erst ein Grundkapital von 5 Millionen Euro gesammelt werden.

Eine Theater-AG des Occupy Camps in Helsinki organisiert regelmäßig Flashmobs zu passenden Gelegenheiten, um mediale Aufmerksamkeit auf das wichtige Anliegen der Occupy-Bewegung zu ziehen. Jede ihrer Aktionen wird gefilmt und bei Youtube hochgeladen, allerdings kann ich derzeit nicht sagen wo man sie genau findet.


Occupy Helsinki und die Öffentlichkeit

Das Camp von Occupy Helsinki liegt zwar direkt gegenüber und in Sichtweite des finnischen Parlaments, doch gibt es relativ wenige „Laufkundschaft“, also vorbeigehende Passanten, da es quasi hinter dem Rücken des Bahnhofs liegt. Dennoch schauen hin und wieder Interessierte vorbei und informieren sich über das Anliegen oder diskutieren mit den Occupylern. Anhänger der Occupy-Bewegung aus dem Ausland (Potsdam, Stockholm, Dublin, usw.) waren auch schon zu Besuch.
Derzeit werden im Camp in Helsinki, neben Brennholz, vor allem mehr Menschen benötigt. Wie es halt so ist, sind viele am PC aktiv, aber vorbeischauen tun die wenigsten. Ich wollte beispielsweise eigentlich auch mal öfter beim Ocuppy Frankfurt-Camp vorbeischauen, aber na ja, geht uns/mir wohl noch zu gut.

Das Verhältnis zu den Behörden ist derzeit relativ gut, allerdings wird der Occupy Turku-Bewegung das Leben offenbar seitens der Stadt etwas schwer gemacht.

Eigentlich hatte ich mit der Person, die ich interviewt habe, ausgemacht, dass sie mir noch ein paar Infos und Links per Mail schickt. Das ist aber wohl irgendwie untergegangen.
Aber hier sind noch ein paar Links zu Occupy Helsinki bzw. Occupy Finland:

https://torikokouslive.wordpress.com/

http://torillatavataan.wordpress.com/


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Montag, 17. Oktober 2011
Warum die Occupy-Bewegung keine „Führungsfiguren“ haben darf
Bereits in meinem letzten Beitrag habe ich angesprochen, dass die Occupy-Bewegung keine Führungsfiguren haben sollte. Es sollte natürlich eine Führung haben, aber eben keine spezifischen Figuren, mit denen die Bewegung sich selbst identifiziert und auch von außen identifiziert wird. Warum ich das so sehe, werde ich nachfolgend erläutern.

Führungsfiguren sind Angriffspunkte für den Gegner

Wenn man historische Ereignisse oder Bewegungen mit revolutionärem Charakter betrachtet, dann kann man feststellen, dass es vielfach idealistische Ideenstifter, Anführer, Revolutionsführer usw. gab, die alle mit hehren Zielen für eine (aus damaligen Gesichtspunkten) möglicherweise gute und gerechte Sache eingetreten sind und an der Spitze einer politischen oder revolutionären Bewegung standen. Man kann aber auch feststellen, dass es vielfach nach anfänglichen Erfolgen und positiven Veränderungen umschlägt. Die Basis solcher Bewegungen vertraut ihren Anführern und denkt, dass jetzt alles in Ordnung ist, unsere Führung wird das alles schon regeln. Sie stellen das aktive Denken sozusagen ein im blinden Vertrauen, dass einer der ihren sie schon nicht betrügen wird und damit begeben sie sich in eine passive Position. Dabei ist das Problem menschlich. Denn egal für wie charakterstark sich eine Führungsperson hält, sie bleibt dennoch ein Mensch. Damit ist sie käuflich und erpressbar. Käuflich ist jede(r), nur der Preis muss stimmen. Hinzukommt noch, dass die meisten Menschen sich zu verändern scheinen, wenn sie merken, dass sie Macht bzw. Einfluss über andere haben. Sie glauben unter Umständen unfehlbar zu sein, nehmen bestimmte Dinge nicht mehr wahr, vielleicht auch keine Kritik mehr. Sie geraten eventuell auch in ein System rein, das sie so eigentlich gar nicht wollten, das aber entstehen konnte, weil zu wenige Leute damit beschäftigt war.
Als Beispiel könnte man vielleicht die französische Revolution nennen, oder auch verschiedene „Revolutionen“ und Revolten aus Zeiten der späten Römischen Republik. Auch die Reformation könnte man anführen, oder die Oktoberrevolution unter Lenin. Alles schien mit eigentlich guten Ideen und Forderungen zu beginnen, endet aber dennoch im immer wieder gleichen System: Wenige beherrschen viele. Nicht umsonst hatten die Römer ihren erfolgreichen Feldherren beim Triumphzug jemanden hinter sie gestellt, der ihnen ständig zuflüsterte, dass auch er nur ein Mensch ist, gebracht es hat es bekanntlich wenig.

Jede Bewegung braucht natürlich eine Führung, aber keine Führungspersonen, an denen man die das Ganze festmachen kann. Denn dann etabliert sich über kurz oder lang eine Einstellung, in der die Richtung nur noch von wenigen vorgegeben wird. Diese Wenigen bilden den wunden Punkt der Bewegung, denn sie sind (früher oder später) käuflich, erpressbar und manipulierbar. Im Falle der Occupy-Bewegung wäre die beabsichtigte oder auch unbeabsichtigte Herausbildung von Führungspersonen genau das, was den Gegner der Occupy-Bewegung in die Hände spielt. Denn sobald sich herausstellt, dass die immer selben Personen den Ton anzugeben scheinen und die Richtung vorgeben und sie von der Basis beispielsweise als Helden oder Anführer gefeiert werden, wird der Gegner mit allen Mitteln versuchen diese Personen für sich zu gewinnen. Den Verführungen des Kapitals (so nenne ich das jetzt einfach) mal, kann niemand auf Dauer widerstehen.

Spontan muss ich da jetzt in diesem Moment an Leute denken, die sich in ihren Reden bescheiden geben und von Gerechtigkeit schwärmen, aber für jeden öffentlichen Auftritt einen Arsch voll Geld verlangen. Auch die Grünen kommen mir in den Sinn, sie sind in Teilen so wie die geworden, gegen die sie einst angetreten sind. Privat fallen mir viele „Alt-68er“ ein, die mal gute Ideen vertraten oder immer noch vertreten, aber in ihrem täglichen Handeln genau anders handeln und im Zweifelsfall jährlich einen neuen Benz kaufen, auch wenn es der Alte noch tut. Man könnte auch Joschka Fischer und Gerhard Schröder anführen. Man denkt, sie seien als Grüner und Sozialdemokrat die Antikapitalisten und Idealisten schlechthin, doch wurde unter ihrer Regierung ein fragwürdiger Krieg gegen Serbien geführt und die Banken von der Gewerbesteuer auf Kreditverbriefungen befreit. Auch Schröder und Fischer rannten und rennen trotz aller Ideale, die sie einmal gehabt haben mögen, dem Meistzahlenden hinterher und wurden und werden gekauft, um sich mit ihrem Einfluss für diverse Pipelines in der Ostsee oder im Mittelmeerraum einzusetzen.

Evolution statt Revolution

Klar gibt es auch in der Occupy-Bewegung immer Leute, die viel organisieren, sich stark einbringen, mehr machen als andere und dadurch evtl. auch etwas mehr im Rampenlicht stehen. Aber entscheidend ist dann, dass diese Leute, die von Massenmedien wie Spiegel-Online dann als „charismatische Führungsfiguren“ bezeichnet werden, sich aktiv aus einer vermeintlichen Führungsrolle herauswinden und beispielsweise mal jemand anderes vor die Kamera zerren. Vielleicht ist nicht jeder redegewandt oder überhaupt gesprächig, aber es gibt ein gemeinsames Ziel, das alle eint und zu dem jeder etwas sagen kann, dabei ist es erst einmal nebensächlich, ob er so sagen kann, dass er andere überzeugt oder einfach nur vorleiert. Wenn man jemanden mit der Art zu Reden überzeugt und nicht mit dem Inhalt, dann ist das sowieso nicht richtig. Nichtdenkende Mitläufer braucht niemand.
Gleichzeitig darf sich in der Basis der Occupy-Bewegung nie so ein Trott entwickeln, in dem die Leute denkfaul werden, ihr Gehirn abschalten und sich sagen: „Lass die das mal machen, die machen das jetzt schon so gut, die werden das auch weiterhin so machen.“. Damit übergibt man die Verantwortung an Wenige und stellt sich selbst in eine passive Position, in der das Denken wieder einmal andere übernehmen und das darf nicht passieren, sonst wird mittelfristig die Ernüchterung kommen, dass sich doch nichts geändert hat, weil die Menschen ja doch alle gleich sind.
Die Occupy-Bewegung sollte funktionieren wie ein Ameisenstaat, nur mit dem Unterschied, dass es keine Königin gibt und jede(r) selbst aktiv mitdenkt und mitwirkt und den anderen nicht nur unterstützt, sondern auch mal konstruktiv kritisiert und gewissermaßen kontrolliert – auch wenn das letzte Wort etwas unschön klingt (Transparenz könnte man es auch nennen). Es soll natürlich kein Kollektiv ohne Individuen werden, sondern man muss den Spagat schaffen zwischen Entfaltung von Individualität und einem Kollektiv (so nenne ich das jetzt mal), das basierend auf einem Grundübereinkommen zum Wohle aller geschlossen agiert. Detailfragen wird es immer geben und die werden auch nie für alle zufrieden stellend gelöst werden, aber sie sind meist auch nur Nebensache.
Sobald jemand aus diesem Schwarm ausschert, wird er oder sie ein leichtes Angriffsziel, darauf kann der Gegner seine ganze Kraft konzentrieren und dadurch wird er mit der Zeit immer Erfolg haben. Auch von Fischen kann man lernen. Die Führung kommt von allen und nicht von Wenigen.
Jede(r) muss jede(n) ersetzen können, dabei spielt es keine Rolle wie gut oder wie schlecht jemand eine Sache kann. Da fällt mir das Beispiel der finnischen Armee ein. Alle Soldaten werden in einer Gruppe werden so ausgebildet, dass jeder alle Aufgaben einer Gruppe übernehmen kann. Wenn ein Späher ausfällt, kann ein anderer seine Aufgabe übernehmen.
Bei der Occupy-Bewegung geht es natürlich nicht um Kriegsführung, sondern um eine Revolution oder vielleicht auch um eine gesellschaftliche Evolution. Wenn wir es schaffen, unseren Gegnern keine Angriffsfläche in Form von einzelnen Führungsfiguren zu geben, sondern es schaffen als Kollektiv gemeinsam zu handeln, dann ist vielleicht sogar etwas Neues möglich, eben eine Evolution. Ich glaube, dass es heute möglich ist, weil wir dafür die notwendige Infrastruktur in Form vom schnellen Austausch vieler Informationen haben. Was für die Ameisen die Duftspuren sind, ist für die Occupy-Bewegung das Internet.
Ich hoffe, es ist einigermaßen klar, was ich meine.

Ich habe Wolfram Sieners Auftritt bei Illner nicht gesehen, aber es wäre eine coole Aktion gewesen, wenn er mit einer Maske (beispielsweise der Guy Fawkes Maske, die man die ganze Zeit sieht) aufgetreten wäre. Damit hätte er unterstreichen können, dass es in dieser Bewegung um alle geht und es keine Personen gibt, an denen sich die Medien und der Gegner festnageln können. Falls sich herausstellen sollte, dass sich zu starke hierarchische Strukturen etablieren und sich tatsächlich Führungsfiguren herauskristallisieren, bin ich raus aus dieser Bewegung. Denn solche Bewegungen werden mittel- und langfristig immer scheitern. Ich bin aber zur Zeit ganz zuversichtlich, dass es diesmal anders laufen könnte, dass nicht nur eine Revolution, sondern eine Evolution stattfinden kann.

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Montag, 17. Oktober 2011
Mein Bericht über die OccupyFranfkurt-Demonstration vom 15. Oktober
Im Folgenden möchte ich meinen Eindruck und meine Meinung zu der gestrigen OccupFrankfurt-Demonstration mitteilen. Ich habe übrigens auch Fotos gemacht, bitte hier klicken.

Bedauerlicherweise kamen wir etwa eine Stunde zu spät. Wir waren erst um ca. 13 Uhr am Rathenauplatz. Allerdings waren wir nicht alleine, auch andere waren später dran. Nachdem wir etwas umhergeirrt sind, konnten wir die EZB doch noch finden. Toll wäre natürlich gewesen, wenn ein „Guide“ für die Nachzügler noch am Rathenauplatz geblieben wäre. Man hätte auch den richtigen Weg zur EZB mit deutlich sichtbaren Kreidezeichen auf den Boden anzeigen können. Vielleicht wäre das ja was fürs nächste Mal, wenn man es den Teilnehmern auch kommuniziert. Aber mit Fragen kommt man ja auch voran. :-)

Glücklicherweise sind wir nicht so lange umhergeirrt und stießen bald zur Kundgebung an der Europäischen Zentralbank. Es waren ja auch mindestens 5.000 Personen anwesend. Die Stimmung war friedlich und es gab viele interessante Plakate. Aufgebaut war eine Audioanlage, an der ein jeder seine Meinung kurz oder auch mal länger kundtun konnte. Wie zu erwarten, gab es natürlich einige, die diesen Protest auch vor Ort instrumentalisieren wollten, beispielsweise für ihre eigene Partei oder für Gott, wie es ein Redner getan hatte. An einer Stelle kam es wohl zu Tumulten. Ich konnte nicht genau erkennen worum es ging, aber es hat den Eindruck gemacht, als ob da jemand einem Redner das Mikrofon gewaltsam abgenommen hat. Die Lage hat sich aber bald wieder beruhigt.
Interessant war auch ein Redner, der behauptete, dass er seit einigen Monaten alleine vor der Firma Mömax, einem Möbelhaus, in Frankfurt demonstrierte. Er behauptete, dass man ihn mundtot machen wollte und kündigte an, weiter demonstrieren zu wollen. Allerdings versäumte er es mitzuteilen wofür oder wogegen er eigentlich demonstrierte. Ein späterer Redner teilte mit, das es offenbar darum ginge, dass Mömax seine Mitarbeiter schlecht behandelt und ausspioniert. Was an der Sache dran ist, habe ich jetzt nicht überprüft.

Da sich irgendwann auch der Hunger bemerkbar machte, legten wir einen relativ langen Weg zu einer Dönerbude in der Nähe der Frankfurter Einkaufsstraße „Zeil“ zurück. Ein windiger Würstchenbudenbesitzer hätte an diesem Samstag sicherlich ein gutes Geschäft gemacht, wenn er seinen Stand an der EZB aufgestellt hätte.
Auf der „Zeil“ bemerkten wir, dass die meisten Menschen doch lieber shoppen gehen, anstatt sich gegen ein ungerechtes System zu erheben (dies hatte auch einer der Redner angemerkt). Wahrscheinlich geht es den meisten noch zu gut und sie sind zu bequem, sich endlich aufzuraffen und für ihre Zukunft einzutreten. Bei vielen endet die Zukunft zur Zeit offenbar noch bei dem nächsten Konsumerlebnis, aber mit steigender Inflation und wachsendem Abbau von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen wird sich dies auch noch ändern.

Aufgefallen ist mir noch, dass sich auf der Demonstration auch einige Leute getummelt haben, die Werbung für ihre Bücher und Schriften gemacht haben. Das kam mir teilweise so vor, als ob es sich dabei eher um esoterische und pseudowissenschaftliche Werke handelt.
Jemand hatte gefälschte 10-Euro-Scheine verteilt, die mit einem Zitat und Hinweisen auf Youtube-Videos bedruckt waren. Einen davon haben wir am Rande der Kundgebung mal auf den Boden gelegt und beobachtet, wie die vorbeigehenden Leute darauf reagieren – so just for fun sozusagen. Viele bemerkten es nicht und gingen vorbei. Einige bückten sich freudig, um später leider enttäuscht zu werden (ja, es ist ja fies). Ein älteres Ehepaar, welches wir auch heimlich fotografiert haben, hat sich den schriftlichen Inhalt dieses falschen Geldscheines durchgelesen und sogar noch weitere Flyer von der Demo vom Boden aufgehoben. Immerhin wurden sie so möglicherweise auf das Thema aufmerksam gemacht.

Occupy Frankfurt in den Medien usw.

Eine ganz interessante Beobachtung konnte ich bei der Berichterstattung über die Occupy Frankfurt-Demo machen, insbesondere die Bilder betreffend. Die meisten Bilder, die in den Medien gezeigt werden, sind anscheinend vom Anfang der Demo. Auch sind immer wieder dieselben Aufnahmen zu sehen. Dass es auch länger als eine Stunde nach dem „Umzug“ zur EZB weiterging, wurde foto- und videotechnisch anscheinend weitgehend ausgeblendet. Na ja, die kriegen ihre Bilder teilweise eben auch nur von den Presseagenturen.

Wie zu erwarten war, springen jetzt natürlich auch all die Politiker auf den Zug auf und versuchen die Proteste für sich und ihre Parteien zu instrumentalisieren. Jetzt auf einmal wollen sie die Großbanken zerschlagen, wo sie sie doch all die Jahre so eifrig unterstützt haben. Vielleicht kann man es auch so sehen, dass die Finanzindustrie die Politiker losschickt, damit diese wieder das Ruder in die Hand nehmen und leere Versprechungen machen, damit sich das Volk in Sicherheit wiegt, aber in Wahrheit hinter den Kulissen keine Änderung stattfindet.
Diese Proteste sollten nicht von politischen Ideologien oder Religion instrumentalisiert werden. Nicht alle glauben an Gott oder an den Kommunismus. Aber man kann sicher einen Grundkonsens finden, wenn man eben nicht mit ideologischen Scheuklappen an die Sache geht, sondern offen, ehrlich und vernünftig die Sache mit Hilfe der eigenen Vernunft anpackt, mit dem Ziel eine bessere Situation für die Allgemeinheit zu schaffen. Schließlich scheinen bei der Occupy-Bewegung die verschiedensten Menschen geeint zu sein, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, nämlich eine gerechtere Welt mit weniger Ungleichheit. Dafür braucht man keine bestimmte Religion oder Ideologie.

Braucht die Occupy-Bewegung „Führungskräfte“?


Etwas skeptisch sehe ich auch den Spiegel-Online-Bericht über die „charismatische Führungsfigur“ Wolfram Siener der Occupy-Bewegung. Er wird von Spiegel-Online ja schon als „Revolutionsführer“ bezeichnet. Ich dachte eigentlich, dass die Occupy-Bewegung ohne eine richtige Führung auskommen sollte, das wäre ja eigentlich das Interessante. Denn früher oder später werden anscheinend ja (fast) alle „Revolutionsführer“ ekelhafte und korrupte Spießer, die ihre Ideale verraten, wie zum Beispiel Joschka Fischer. Allerdings fürchte ich mich selbst auch davor, irgendwann meine Ideale zu verraten und ein spießiges Arschloch zu werden, das sein Geld und sein Haus zusammen halten will. Solche Wandlungen scheint es ja häufiger zu geben, ist wohl menschlich.
Interessant wäre natürlich zu erfahren, wie Wolfram selbst zu diesem Spiegel-Artikel steht. Klingt in meinen Augen eher nach schlechter Publicity und ich muss – wie gesagt – direkt an Joschka Fischer und Co. denken. Diese Protestbewegung sollte ohne irgendwelche „Führer“ auskommen, denn wenn sich erst einmal eine „Führung“ beispielsweise wie in einer Partei etabliert hat, ist die Gefahr groß, dass die Richtung nur noch von dort oben vorgegeben wird und die breite Masse ihr Gehirn und ihren Protest- und Bewegungswillen abschaltet, weil sie dieser „Führung“ vertraut oder glaubt, dass die Ziele bereits erreicht wurden. Eine kleine, möglicherweise intransparente Führung ist leichter zu beeinflussen und zu bestechen, als eine breite Masse, in der jeder eine Meinung hat und sich jeder selbstständig informiert. Niemand ist perfekt und unseren Gegnern würde man es sehr einfach machen, wenn wir ihnen eine „Führung“ anbieten würden. Wie lange könnte diese „Führung“ den Verführungsversuchen des Gegners mit seinen materiellen Möglichkeiten widerstehen? Wenige sind leichter zu kaufen oder zu erpressen als viele und leider sind die meisten Menschen unter bestimmten Umständen früher oder später käuflich/bestechlich – wie ich finde.


P.S.: Bei der Kundgebung hat mich eine Rede noch mal an „ethische Banken“ bzw. “ethisches Investment“ erinnert. Sicherlich eine interessante Sache, die ich mir jetzt endlich mal genauer anschauen muss.

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