Montag, 24. März 2014
Gefährdet die Krim-Krise die Energiewende?
Beim Konflikt des „Westens“ mit Russland um die Krim und die Ukraine geht es – wie immer – nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um handfeste geostrategische und wirtschaftliche Interessen. Es geht insbesondere um Gas – um russisches Gas, um ukrainische Schiefergasvorkommen, israelisches Gas, amerikanisches Gas und die Frage wer wie viel in welche Länder exportieren darf/kann und wer die Gasvorkommen in der Ukraine und anderswo anzapfen darf.



Ausgangssituation: Der Kampf um den Gasmarkt


Zum einen ist da die Abhängigkeit der Ukraine und zum Teil auch Europas von russischen Gaslieferungen (Stichwort Ostseepipeline), die angesichts des Konflikts mit Russland vermehrt auch in den Medien thematisiert wird. „Was wäre wenn Putin den Gashahn zu drehen würde?

Dann sind da noch Schiefergasvorkommen in der Ukraine und im Schwarzen Meer, die Begehrlichkeiten wecken, beim russischen (Staats)Konzern Gazprom ebenso wie bei den US-Unternehmen ExxonMobil und Chevron. Neben der Frage, wer die ukrainischen Gasvorkommen durch das umstrittene Fracking abbauen darf, geht es auch um Marktanteile auf dem europäischen Gasmarkt. Die USA (=US-amerikanische Unternehmen) beabsichtigen nämlich ihr durch Fracking gewonnenes Gas in Form von Flüssiggas auch nach Europa zu exportieren, unter dem scheinbar lauteren Vorwand die Abhängigkeit Europas von russischem Gas zu verringern. Zur Zeit wird laut E.ON etwa ein Viertel des europäischen Gasbedarfs durch Gaslieferungen aus Russland gedeckt. Etwa 40% des deutschen Gases kommt aus Russland.

Und als ob das nicht schon genug wäre, gibt es da noch Israel, das mit dem Tamar Gasfeld vor seiner Küste über genügend Gasvorkommen verfügt, um diese auch exportieren zu können. Als Abnehmer wäre da auch wieder Europa nahe liegend. Hier hat Gazprom übrigens schon mal eine Absichtserklärung unterzeichnet, um sich die Vertriebsrechte auf diese Gasvorkommen zu sichern. Wahrscheinlich ist aber nichts daraus geworden, was wohl mit Russlands politischer Haltung in Syrien und jetzt sowieso angesichts der Situation in der Ukraine zu tun hat.

Man sieht, es gibt also genügend Möglichkeiten, Gazprom Marktanteile am europäischen Gasmarkt wegzuschnappen. Für Russland als Nation, die besonders abhängig von Rohstoffexporten ist, wäre der Verlust von Marktanteilen in Europa recht empfindlich. Übrigens wird Putin alleine schon deshalb und auch weil er Exxon, Chevron und Co. nicht noch eine Steilvorlage liefern will, den „Gashahn“ nicht einfach so zudrehen.


Gas und die Energiewende

Was Gas eigentlich mit der Energiwende zu tun hat, ist hier im Folgenden erklärt.
Gas und Gaskraftwerke werden gerne als Brückentechnologie im Rahmen der Energiewende gepriesen, da ihre Produktion kurzfristig hochgefahren werden kann, wenn die Sonne mal nicht so viel scheint und der Wind nicht so weht. Das klingt nach einem plausiblen Argument. Gleichzeitig besteht aber das Problem, dass die Betriebskosten eines Gaskraftwerks hoch sind, die Strompreise an der Börse derzeit niedrig, so dass sich das nicht richtig lohnt und Gaskraftwerke sogar abgeschaltet werden.

Jetzt ist die spannende wirtschaftliche Frage, die ich leider auch nicht ohne weiteres beantworten kann, ob ein verstärkter Import von Gas aus anderen Länder als Russland, nicht zu einem derartigen Preisverfall des Gases führen könnte, dass Strom aus erneuerbaren Energien wieder teurer werden würde? Gasimporte aus Übersee könnten einerseits russisches Gas vom Markt verdrängen (was gleichzeitig auch Russland schwächen würde), andererseits (und das halte ich für wahrscheinlich) russisches Gas ergänzen und somit zu einem größeren Angebot an Gas auf dem europäischen Markt und einem Preisverfall führen. Das ist natürlich nur unter der Voraussetzung möglich, dass das Gas in den USA, vor Israels Küste, der Ukraine (und auch Polen) so günstig gefördert werden kann, dass sich ein massenhafter Export nach Europa lohnen würde. Andererseits kann – wenn der politische Wille und die nötige Lobby-Macht (die ExxonMobil und Chevron sicher haben) dazu da ist – auch mit Subventionen nachgeholfen werden. Schließlich geht es auch um strategische Interessen und weitere wirtschaftliche Interessen. Was wäre es wohl ein Traum für die amerikanischen Gaskonzerne, wenn sie auf dem russischen Markt wildern könnten, nachdem eine Regierung Putin geschwächt gestürzt wurde?! Dies wäre aber noch in weiter Zukunft.

Wenn man über mögliche negative Folgen eines verstärkten Gasimports auf die Energiewende denkt, kann man sich fragen, ob dies über das Ziel hinaus schießen könnte. Könnte es nicht sein, dass derartige Gasimporte nicht nur evtl. Russlands Marktanteile verringern würden, sondern sogar Gas wieder als Energiequelle attraktiv machen würden? Dann wäre das mehr als nur eine Brückentechnologie und es gibt mit Sicherheit Instanzen, die daran ein großes Interesse hätten – sicher auch RWE.
Anstatt, dass man angesichts des Ukraine-Konflikts nun erst Recht den Ausbau der erneuerbaren Energien verstärkt fördern würde, um die energetische Unabhängigkeit von jeglichem fossilen und damit endlichen Energieträger zu verringern, steht eher das Gegenteil bevor. Pest gegen Cholera sozusagen. Hinzu kommt, dass die regenerativen Energien europaweit ohnehin einen schweren Stand haben und angesichts des europaweiten Erstarkens der Rechtspopulisten auch die Gefahr besteht, dass bei den Europawahlen dieses Jahr, die Unterstützer der Energiewende wohl an Einfluss einbüßen könnten.

Im Radio konnte man heute morgen übrigens hören, dass bereits alte Pläne über den Bau eines Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven, notfalls mit Subventionen, wieder belebt werden sollen.


Fallbeispiel Finnland

Was den Bau von Flüssiggasterminals angeht, ist man in Finnland schon weiter. Dort wurde nämlich beschlossen, für 100 Millionen Euro, neue Flüssiggasterminals an verschiedenen Häfen zu bauen.
Die Frage ist nur, ob diese Terminals für die Schiffahrt (Betankung) gedacht sind oder zum Import und zur Verteilung von Gas in Finnland.
Mit dem Gasturbinenhersteller Wärtsilä stünde auch schon ein passendes Unternehmen bereit, um ggf. neue Gaskraftwerke zu bauen. Der größte Eigentümer von Wärtsilä will dieses Jahr übrigens seine Anteile verkaufen. Da darf man auch auf den Käufer gespannt sein – sollte es rein zufälligerweise ein Unternehmen wie ExxonMobil oder Chevron sein, ist die Sache ja eigentlich schon klar.

Was den Bau von Flüssiggasterminals betrifft, spricht man von den nächsten Jahren, in denen das passieren würde. Dies würde etwa in die gleiche Zeit fallen, in der in Finnland das Ziel von 2500 MW installierter Leistung für die Windkraft voraussichtlich erreicht worden sein wird (etwa 2017-2019). Dann nämlich werden keine neuen Windparks in den Einspeisetarif mehr aufgenommen. Derzeit in Planung sind aber alleine an Land ca. 11000 MW, also eine derartige Menge, dass der Ruf nach einer Erweiterung des Einspeisetarifs lauter wird.
Es stellt sich dann die Frage, ob die Windenergie in Finnland möglicherweise mit Gasimporten konkurrieren müsste und vielleicht aufgrund der schwächeren Lobby den Kürzeren ziehen würde?


Schlussfolgerungen

Der Ukraine-Konflikt könnte meiner Meinung nach noch weite Kreise ziehen und zunächst ungeahnte Folgen insbesondere für die Energiepolitik in Europa haben. Es geht nicht nur, um Marktanteile bei europäischen Gasimporten, Förderrechten und eine beabsichtigte Schwächung Russlands, sondern möglicherweise auch um die Energiewende. Diese kann zwar aufgrund der Endlichkeit der fossilen Energieträger und der Idiotie und Gefahr der Atomenergie nicht aufgehalten werden, wohl aber verlangsamt werden. Hinter Gas, aber auch Erdöl und natürlich auch der Atomenergie, steckt eine mächtige Lobby, der eine Verlangsamung des Umstiegs auf erneuerbare Energien nur recht sein kann. Angesichts der anstehenden Europawahlen geht es dieses Jahr um die „mittelfristige“ Zukunft der Energiewende. Leider sendet auch die deutsche Politik keine hoffungsvollen Signale.


P.S.: Wie üblich, werde ich auch diesen Text nicht korrekturlesen, auch wenn es eigentlich angebracht ist. Ich sollte mir das aber eigentlich mal angewöhnen.




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