Montag, 15. November 2010
Erosion der Macht
Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte in ihrer heutigen Ausgabe einen Artikel die Sorgen von Politikern um den Erhalt der parlamentarischen Demokratie. http://www.sueddeutsche.de/n5a38Y/3719026/Erosion-der-Demokratie.html

Erosion der Demokratie

Unter dem Titel "Erosion der Demokratie - Politiker besorgt über den Massenprotetst gegen Großprojekte" werden die Sorgen von Politikern wie Stefan Mappus (CDU, Ministerpräsident Baden-Württembergs) und Frank-Walter Steinmeier (SPD-Fraktionsvorsitzender) über die aktuellen Proteste der Bürgerinnen und Bürger gegen zweifelhafte politische Entscheidungen abgehandelt.

Steinmeier ist der Meinung, dass die derzeitigen Proteste und mögliche zukünftige Demonstrationen gegen andere Projekte die parlamentarische Demokratie in Deutschland gefährden. Die SZ (Süddeutsche Zeitung) beruft sich dabei auf ein Interview, das er der Welt am Sonntag gegeben hat.

http://www.welt.de/print/wams/politik/article10919820/Zurueck-im-alten-Job-aber-mit-neuem-Blick.html

Steinmeier erkennt in den Protesten das, was eigentlich auch schon länger bekannt sein sollte (nicht nur wegen der schwindenden Wahlbeteiligung) - nämlich, dass viele Bürger das Vertrauen in dieses politische System verloren haben. Angesichts von, als korrupt zu bezeichnenden Handelsweisen (Bsp.: Gerhard Schröder, Roland Koch, usw.) verwundert dies natürlich nicht.

Erosion der eigenen Macht

"Berufspolitikern", wie Steinmeier, scheint es dieser Tage vor allen Dingen aber um die Erosion der eigenen, politischen Macht zu gehen, die ihnen natürlich gegenüber eines einfachen Arbeiters erhebliche finanzielle Vorteile beschert. Der Frage der Angemessenheit des Einkommens von Politikern soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden.

Steinmeier sagt im Interview (fettgedruckte Hervoerhebung von mir):

"Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir Glaubwürdigkeit und Zutrauen in die parlamentarische Demokratie und ihre Institutionen wieder herstellen. Das wirft Fragen auf, die sich als Allererstes uns Politikern stellen. Aber die Antworten sind weiß Gott nicht einfach. Es fängt damit an, dass wir eine Haltung an den Tag legen müssen, die von den Bürgern nicht als vordergründig, als inszeniert und unehrlich wahrgenommen wird. Die Bürger misstrauen der Inszenierung. Und Beispiele für eine "So-tun-als-ob-Politik" gab es im letzten Jahr reichlich."

Der darauffolgende Satz, "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns als politische Klasse neu präsentieren.", klingt für mich so, als ob die Klasse der Berufspolitiker sich Gedanken machen sollte, wie sich neu inszeniert, also genau das tut, was Steinmeier im Satz zuvor abgelehnt hat.

Sich präsentieren bedeutet nicht sich ändern. Und ich glaube Steinmeier und den meisten anderen Politikern, dass es ihnen nur darum gehen kann, sich selbst als etwas zu präsentieren was sie nicht sind aber nicht wirklich z.B. der bescheidene, unbestechliche, ehrliche Politiker des Volkes für das Volk zu sein.

Zu verführerisch ist der süße Saft des Reichtums und der Macht, zu verlockend der persönliche Gewinn eines Einzelnen bei der engen Verstrickung von Politik und Wirtschaft. Warum sollten sie sich ändern? Die Geschichte zeigt, dass man (bzw. Politiker) sich den Verlockungen von Macht und Reichtum nur schwer widersetzen können oder erst dann, wenn es zu spät ist. Nämlich dann, wenn das System an allen Ecken und Enden auseinanderbricht, weil das "Heer der Unzufriedenen" sich nicht länger abspeisen lässt mit gespielter Volksnähe oder politischen Inszenierungen, weil die Lügen zu offensichtlich werden.

Für mich stellt sich nicht die Frage, ob sich unser gesellschaftliches, politisches, wirtschaftliches System in einem Zustand des Zerfalls befindet, sondern erstens in welcher Phase des Verfalls es sich befindet, zweitens wie lange sich dieser Verfall noch hinziehen wird und drittens was danach kommen wird. Änderungen in politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen System sind zwangsläufig, nichts in der Geschichte hat ewig bestand, schon gar nicht ohne tiefgreifende Reformen und Neuerungen.

Ein guter Indikator für das "sich-Befinden-in-einem-Verfallsprozeß" dieses gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen System, könnte das Verschwinden von Idealen und moralischen Werten und das gleichzeitige, verstärkte Aufkommen von Fällen der persönlichen, egoistischen Bereicherung zu Ungunsten anderer sein.

Allerdings kann der Niedergang des einen Systems, den Aufstieg eines anderen Systems bedeuten. Und damit das neue System nicht ein Ende mit Schrecken wird, sollten sich die so genannten "Eliten" und Entscheidungsträger darum bemühen extremistischen Strömungen den Nährboden zu nehmen. Dafür reicht aber ein sich "neu präsentieren" nicht aus, es müssen echte Änderungen kommen und die tun eben weh.

Ein möglicher kleiner Schritt in Richtung Besserung, könnte die Einführung von Volksentscheiden mindestens auf kommunaler Ebene sein.
Wenn man bei unseren "Volksvertretern" das Gefühl hätte, dass es sich um aufrichtige, echte Vertreter des Volkes handeln würde, die nicht im Interesse bestimmter Klientel (mit viel Geld) entscheiden, dann wäre dies vielleicht nicht notwendig.

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