Samstag, 16. Juni 2012
Abgerissene Deutschlandfähnchen und die Sache mit dem Nationalismus
Jüngst erregen wieder Fahnenklauer ein gewisses mediales Aufsehen. Diese, im Allgemeinen dem so genannten "linken Spektrum" zugeordnete Personen entfernen zu WM-Zeiten und jetzt zur EM die Nationalfahnen (meist deutsche Fahnen) von den Autos anderer Menschen und hinterlassen manchmal einen Zettel, wie diesen hier:



Quelle: Todamax Kicks Ass

Das Interview eines Bloggers mit drei Personen, die offenbar regelmäßig Nationalfahnen bzw. Deutschlandfahnen von Autos entfernen, hat mich dazu bewegt auch meinen Senf zu diesem Themenbereich abzugeben. Hier das Interview. Mehr zum Thema auch hier und hier.


Sinnlose Aktionen oder nicht?

Die Personen, die deutsche (offenbar auch andere Nationalfahnen) von Autos entfernen, tun dies, weil sie der Ansicht sind, dass Nationalfahnen auch zu Zeiten sportlicher Veranstaltungen für Nationalismus (im Flyer: "deutsche Identität") stehen bzw. diesen "produzieren". Alleine der Begriff "Nationalismus" ist meiner Meinung nach nicht pauschal zu definieren, wie man auch bei Wikipedia nachlesen kann. Die Identifizierung mit einer Nation, man könnte auch schreiben mit einem Volk oder einem Staat usw. ist eine Form der Festlegung der eigenen Gruppenzugehörigkeit. Das Problem ist aber, wer ist zum Beispiel ein Deutscher, ein Türke, ein Franzose, ein Engländer, ein Pole? Ist es jemand, der die Amtssprache des jeweiligen Landes spricht, jemand der dort wohnt, dort geboren wurde, dessen Eltern auf dem Gebiet des jeweiligen Landes geboren wurde, dass es vor 2000 Jahren noch nicht einmal gab? Und wie sehen das andere? Jemand mit deutschen Wurzeln und Wurzeln in einem anderen Land, gilt meiner Erfahrung nach in Deutschland als der aus dem anderen Land und in dem anderen Land als der aus Deutschland. Es ist also auch eine Frage der Perspektive. So kann er hier auf die "deutschen Kartoffeln" schimpfen – wie jüngst ein Schüler mit so genanntem "Migrationshintergrund", den ich kenne – aber in seinem anderen "Heimatland" wird er selbst als "deutsche Kartoffel" bezeichnet.

Wenn Außerirische mit nichts als einem Globus unserer Erde auf dem die einzelnen (National)staaten eingezeichnet sind, bei uns, sagen wir mal in Berlin landen würden, wären für sie wohl alle Bewohner Deutschlands Deutsche. Oder sie müssten zunächst davon ausgehen, dass alle Personen, die sich während ihrer Landung in Berlin aufhalten, auch Berliner sind.
Okay, ich merke gerade, dass man zum Thema Nationalismus doch mehr schreiben kann, als ich eigentlich jetzt möchte, deswegen gehe ich mal über zum Thema Fähnchenklauen an sich.


Erst mal muss ich doch diesen Flyer kritisieren. Man kann es als diskriminierend empfinden, dass dieser Flyer offenbar nur gegen deutsche Fahnen gerichtet ist. Wie kann man gegen Nationalismus sein und dann aber zumindest in diesem Flyer, andere Nationalfahnen als die deutsche unbeachtet/unerwähnt lassen?

Ein Problem an dieser Aktion mit dem Entfernen der Nationalfahnen ist doch auch, mit welcher Absicht wurden sie angebracht und ich denke doch mal, dass dies individuell verschieden ist. Es macht einen Unterschied, ob sie von einem bekennenden Nationalsozialisten aufgehängt wurden, welche aber eigentlich ganz andere Fahnen aufhängen oder von jemandem, der damit glaubt, die deutsche Nationalmannschaft zu unterstützen, finde ich. Da sind wir auch wieder beim Thema – was ist deutsch, warum heißt es so, kann man eine andere Bezeichnung dafür finden?
Hängt jemand eine deutsche Fahne aus, mit der Absicht andere auszugrenzen und zu sagen ich gehöre zu dieser Gruppe der Anhänger der so genannten "deutschen Nationalmannschaft" oder ich bin "deutsch"? Das ist doch das Problem, Menschen brauchen immer etwas, womit sie sich identifizieren können bzw. wodurch sie ihre Gruppenzugehörigkeit ausdrücken. Wenn jemand das Auto voll mit BVB-Fahnen hat, dann ist das doch im Prinzip dasselbe wie mit einer Nationalfahne, nur dass Dortmund oder der BVB keine "Nationalstaaten" sind. Trotzdem kann man auch damit andere ausgrenzen.

Wer denkt denn eigentlich schon an den Ursprung der aktuellen deutschen Nationalfahne, wenn er diese aufhängt? Und wieder das Problem: Wenn eine bestimmte Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eine Nationalfahne oder ein anderes Erkennungssymbol einer Gruppe aufhängt, was will er damit sagen?

Was wäre denn, wenn man eine andere Fahne als die deutsche Fahne aufhängen würde? Dann hätten würde das doch prinzipiell nicht viel ändern. Eine Identität oder Gruppenzugehörigkeit wird auch durch eine andere Fahne ausgedrückt.


Schwieriges Thema, chaotische Zustände

Sorry, ich muss schon wieder feststellen, dass das Thema eigentlich zu komplex ist, um mal schnell etwas dazu zu schreiben, denn eigentlich müsste man dazu viel mehr schreiben. Was ich bisher geschrieben habe, wird wohl wahrscheinlich auch chaotisch sein.

Das muss ich aber noch loswerden:

Die Leute, die die Fahnen abreissen, müssen sich doch fragen, was für Folgen dies hat.
Durchaus möglich, dass die "Opfer" solcher Aktionen einfach neue Fahnen kaufen. Somit haben wir Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung.

Was denken die Leute, die ihre Fahne am Auto entfernt vorfinden und stattdessen einen solchen Flyer vorfinden? Denken die sich, diese dummen "Linken", das nächste Mal wähle ich NPD? Ich glaube irgendwie nicht, dass diese Leute dann plötzlich umdenken oder überhaupt wirklich verstehen, worum es den Fähnchenabreissern geht, da die individuelle Absicht des Fahnenanbringens ja doch eine Rolle spielt. Jedenfalls scheint es mir eher wahrscheinlich, dass es den angeblichen Absichten dieser "Linken", die ja durchaus korrekt und erstrebenswert sind (in Bezug auf Flüchtlingspolitik, Diskriminierung, Rassismus, usw.), schadet. Viele werden auf diese Aktionen mit Ablehnung und Unverständnis reagieren.

Ich bin übrigens keiner, der fahnenschwenkend durch die Gegend läuft, obwohl ich es mir vorstellen könnte auch die Fahnen anderer Nationen zu tragen/schwenken, wenn ich beispielsweise im Rahmen einer internationalen Sportveranstaltung die Sportler dieses Landes unterstütze. Bringt aber halt eigentlich nichts, aber deswegen bin ich noch lange nicht so totalitär, dies anderen zu verbieten oder ihnen die Fanen abzureissen.

Letztlich ist es vielleicht auch das, was von irgendwelchen "Funtkionsleiten" und dem "Geldadel" gewollt ist, dass man sich mit eigentlich oberflächlichen und unwichtigen Dingen auseinandersetzt und die Energien darauf verschwendet.

Und noch mal die Anmerkung, dass ich das Thema hier jetzt doch unzureichend behandelt habe, weil es größer ist und viel mehr dahintersteckt, was man erwähnen kann oder sollte, als ich dachte.

Abschließend mal eine Frage in den Raum: Wenn man Weihnachten nicht mag oder im Weihnachtsschmuck einen Ausdruck kapitalistischen, verschwenderischen Konsumverhaltens sieht, fängt man dann an Weihnachtsschmuck zu entfernen oder sollte man dies tun?



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