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Samstag, 18. Februar 2012
Menschen, die in journalistischen Artikeln unerkannt bleiben wollen
wasistlos, 13:01h
Immer wieder stößt man auf journalistische Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften in denen Personen vorkommen, die unerkannt bleiben wollen bzw. sollen. Ihre Namen werden nicht genannt, ihre Gesichter verpixelt. Gleichzeitig aber liefert ein solcher Artikel oftmals jede Menge andere Angaben, z. B. über Alter, Beruf, Familienstand, Körperbau etc. der betreffenden Personen. Teilweise geht das so weit, dass ich das Gefühl hatte, dass diese Personen überhaupt nicht unerkannt bleiben können, zumindest nicht vor Menschen, die die Personen kennen und dann auch den Artikel, in der sie vorkommt, lesen.
Spiegel könnte gleich den Namen schreiben
Ein Paradebeispiel für diese Art der Schreibweise, könnte der Leitartikel über Depressionen im Spiegel Nr. 6 vom 6. Februar 2012 sein. Darin wird u. a. der Fall einer Mainzerin geschildert, die an Depression erkrankt ist. Die letzten Sätze des Spiegel-Artikels behandeln noch einmal die Mainzerin:
„Die 43-jährige Juristin aus Mainz ist noch nicht so weit. In diesem Herbst mussten ihre beiden Töchter auf Station 7 der Klinik für Psychatrie kommen, wenn sie ihre Mama sehen wollten. Bei ihrer Arbeit darf das niemand wissen. In der Behörde heißt es, die Chefin fehle – weil sie einen Bunout habe.“
Der Name der Mainzer Juristin und ihr Aussehen wird nicht gezeigt, allerdings erhält man im Laufe des Artikels genung Informationen, um ihre Identität herauszufinden, zumindest ihre Kollegen von der Arbeit werden sie wohl wieder erkennen, wenn sie den Spiegel-Artikel lesen. Man erfährt ihren Wohnort (Mainz), ihren Arbeitsplatz (städtische Behörde in Mainz), ihren Beruf (Volljuristin, Führungsposition; Leiterin der städtischen Behörde), Details über ihre Familie (zwei Töchter, verheiratet, Ehemann war/ist arbeitslos), ihr Alter (43 Jahre) und den offiziellen Grund ihres Fehlens am Arbeitsplatz (Burnout). Zum letzten Punkt ist zu sagen, dass Burnout und Depression dasselbe sind, aber Burnout offenbar gesellschaftlich anerkannt ist und gar eine Art Leistungsnachweis ist, während Depression eher als etwas peinliches, unangenehmes gesehen wird, weshalb lieber der Begriff Burnout verwendet wird.
Der Spiegel schreibt in oben zitiertem Abschnitt, dass die Mitarbeiter der Mainzer Juristin nichts über das Ausmaß ihrer psychischen Erkrankung erfahren sollen. Aber jeder ihrer Kollegen, der diesen Artikel liest wird wohl unvermeidlich Rückschlüsse auf ihre Person schliessen können. Ihr Name und ihr Gesicht wird zwar nicht gezeigt, aber es werden so viele andere personenbezogene Informationen geliefert, dass sie zumindest für ihre Kollegen einfach zu identifizieren ist.
Was beabsichtigt der Spiegel?
Mir stellt sich jetzt die Frage, ob das überhaupt relevant ist, da wissenschaftlich gesehen Burnour und Depression ein und dasselbe sind oder ob der Artikel schon vor längerer Zeit geschrieben wurde und die Mainzer Juristin wieder gesund ist und es somit ruhig so veröffentlich werden kann? Was sagt die Mainzer Juristin zu diesem Artikel? Wusste sie, dass zwar nicht ihr Name, aber durchaus jede Menge andere Informationen veröffentlich werden, die sie für ihre Arbeitskollegen identifizierbar machen? Oder sind solche Sätze wie: „bei ihrer Arbeit darf das niemand wissen“ nur ein stilistisches Mittel, um Spannung zu erzeugen, einen runden Abschluss für den Artikel zu schaffen oder die gesellschaftliche Bedeutung von Depression/Burnout noch einmal hervorzuheben?
Offen bleibt natürlich auch, ob die Informationen denn überhaupt stimmen. Vielleicht benutzen Journalisten in solchen Artikeln gezielt falsche Informationen, um die Person für den Leser greifbarer zu machen. Die Juristin ist in Wahrheit vielleicht gar nicht aus Mainz, sondern aus Köln, auch nicht 43 Jahre alt, sondern 53, usw.. Gut vorstellbar, dass es so läuft, aber man nicht gerne darüber redet, weil es irgendwie einen negativen Touch haben kann.
Unerkannt bleiben oder in Gefahr geraten
In zahlreichen anderen Artikeln von Journalisten werden Menschen erwähnt, die unerkannt bleiben wollen, weil sie beispielsweise eine Ansicht haben, die in ihrem Land den Tod zur Folge haben kann. Großsspurig schreiben die Journalisten dann, dass die Person, bei der sie offenbar zu Besuch sind, um sie in ihren Artikel einzubeziehen, unerkannt bleiben will, weil sie sonst von ihren Mitmenschen umgebracht wird, und so weiter. Gleichzeitig aber werden, wie im Fall der Mainzer Juristin, jede Menge andere Informationen gelieftert, mit deren Hilfe sie von Bekannten durchaus identifiziert werden kann. Große, international erhältliche Zeitschriften wie der Spiegel sind ja keine Provinzblätter. Durchaus denkbar, dass ein Bekannter einer Person aus einem solchen Artikel den Artikel liest oder irgendeine Organisation oder Menschengrupe gar versucht die Person aus dem Artikel mit Hilfe des Artikels zu identifizieren.
Ich frage mich wie oft so etwas wohl schon passiert ist und ob sich Personen, die sich einem Journalisten zur Verfügung stellen, überhaupt bewusst sind, dass der Journalist zwar nicht Namen und Gesicht zeigt, aber jede Menge andere Informationen liefert.
Andererseits stellt sich immer die Frage, ob die personenbezogenen Informationen überhaupt stimmen oder nur den Text lesbarer machen sollen. Es wäre interessant zu wissen wie das in der Regel gehandhabt wird.
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Spiegel könnte gleich den Namen schreiben
Ein Paradebeispiel für diese Art der Schreibweise, könnte der Leitartikel über Depressionen im Spiegel Nr. 6 vom 6. Februar 2012 sein. Darin wird u. a. der Fall einer Mainzerin geschildert, die an Depression erkrankt ist. Die letzten Sätze des Spiegel-Artikels behandeln noch einmal die Mainzerin:
„Die 43-jährige Juristin aus Mainz ist noch nicht so weit. In diesem Herbst mussten ihre beiden Töchter auf Station 7 der Klinik für Psychatrie kommen, wenn sie ihre Mama sehen wollten. Bei ihrer Arbeit darf das niemand wissen. In der Behörde heißt es, die Chefin fehle – weil sie einen Bunout habe.“
Der Name der Mainzer Juristin und ihr Aussehen wird nicht gezeigt, allerdings erhält man im Laufe des Artikels genung Informationen, um ihre Identität herauszufinden, zumindest ihre Kollegen von der Arbeit werden sie wohl wieder erkennen, wenn sie den Spiegel-Artikel lesen. Man erfährt ihren Wohnort (Mainz), ihren Arbeitsplatz (städtische Behörde in Mainz), ihren Beruf (Volljuristin, Führungsposition; Leiterin der städtischen Behörde), Details über ihre Familie (zwei Töchter, verheiratet, Ehemann war/ist arbeitslos), ihr Alter (43 Jahre) und den offiziellen Grund ihres Fehlens am Arbeitsplatz (Burnout). Zum letzten Punkt ist zu sagen, dass Burnout und Depression dasselbe sind, aber Burnout offenbar gesellschaftlich anerkannt ist und gar eine Art Leistungsnachweis ist, während Depression eher als etwas peinliches, unangenehmes gesehen wird, weshalb lieber der Begriff Burnout verwendet wird.
Der Spiegel schreibt in oben zitiertem Abschnitt, dass die Mitarbeiter der Mainzer Juristin nichts über das Ausmaß ihrer psychischen Erkrankung erfahren sollen. Aber jeder ihrer Kollegen, der diesen Artikel liest wird wohl unvermeidlich Rückschlüsse auf ihre Person schliessen können. Ihr Name und ihr Gesicht wird zwar nicht gezeigt, aber es werden so viele andere personenbezogene Informationen geliefert, dass sie zumindest für ihre Kollegen einfach zu identifizieren ist.
Was beabsichtigt der Spiegel?
Mir stellt sich jetzt die Frage, ob das überhaupt relevant ist, da wissenschaftlich gesehen Burnour und Depression ein und dasselbe sind oder ob der Artikel schon vor längerer Zeit geschrieben wurde und die Mainzer Juristin wieder gesund ist und es somit ruhig so veröffentlich werden kann? Was sagt die Mainzer Juristin zu diesem Artikel? Wusste sie, dass zwar nicht ihr Name, aber durchaus jede Menge andere Informationen veröffentlich werden, die sie für ihre Arbeitskollegen identifizierbar machen? Oder sind solche Sätze wie: „bei ihrer Arbeit darf das niemand wissen“ nur ein stilistisches Mittel, um Spannung zu erzeugen, einen runden Abschluss für den Artikel zu schaffen oder die gesellschaftliche Bedeutung von Depression/Burnout noch einmal hervorzuheben?
Offen bleibt natürlich auch, ob die Informationen denn überhaupt stimmen. Vielleicht benutzen Journalisten in solchen Artikeln gezielt falsche Informationen, um die Person für den Leser greifbarer zu machen. Die Juristin ist in Wahrheit vielleicht gar nicht aus Mainz, sondern aus Köln, auch nicht 43 Jahre alt, sondern 53, usw.. Gut vorstellbar, dass es so läuft, aber man nicht gerne darüber redet, weil es irgendwie einen negativen Touch haben kann.
Unerkannt bleiben oder in Gefahr geraten
In zahlreichen anderen Artikeln von Journalisten werden Menschen erwähnt, die unerkannt bleiben wollen, weil sie beispielsweise eine Ansicht haben, die in ihrem Land den Tod zur Folge haben kann. Großsspurig schreiben die Journalisten dann, dass die Person, bei der sie offenbar zu Besuch sind, um sie in ihren Artikel einzubeziehen, unerkannt bleiben will, weil sie sonst von ihren Mitmenschen umgebracht wird, und so weiter. Gleichzeitig aber werden, wie im Fall der Mainzer Juristin, jede Menge andere Informationen gelieftert, mit deren Hilfe sie von Bekannten durchaus identifiziert werden kann. Große, international erhältliche Zeitschriften wie der Spiegel sind ja keine Provinzblätter. Durchaus denkbar, dass ein Bekannter einer Person aus einem solchen Artikel den Artikel liest oder irgendeine Organisation oder Menschengrupe gar versucht die Person aus dem Artikel mit Hilfe des Artikels zu identifizieren.
Ich frage mich wie oft so etwas wohl schon passiert ist und ob sich Personen, die sich einem Journalisten zur Verfügung stellen, überhaupt bewusst sind, dass der Journalist zwar nicht Namen und Gesicht zeigt, aber jede Menge andere Informationen liefert.
Andererseits stellt sich immer die Frage, ob die personenbezogenen Informationen überhaupt stimmen oder nur den Text lesbarer machen sollen. Es wäre interessant zu wissen wie das in der Regel gehandhabt wird.
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