Montag, 22. August 2011
Libyen: Ernüchterung nach der Revolution?
Der Aufstand der Libyer gegen ihren Diktator Muammar al-Gaddafi scheint nach aktuellen Medienberichten siegreich zu verlaufen. Weite Teile der Hauptstadt Tripolis sollen unter Kontrolle der Rebellen sein, mindestens ein Sohn Gaddafis ist in Gefangenschaft der Rebellen, die Zahl der Überläufer erhöhte sich in den vergangenen Tagen. Der Aufenthaltsort Gaddafis ist nicht eindeutig geklärt. Obwohl damit gerechnet werden muss, dass es noch weiter zu blutigen Kämpfen kommen kann, scheint es sehr wahrscheinlich, dass Gaddafi verlieren wird und die Rebellen siegen werden – auch wenn es bis zum Schluss nicht ganz sicher sein wird.


Wo sind die libyschen Frauen?

In den Bildern, die jubelnde libysche Rebellen zeigen, fällt auf, dass man nur Männer sieht. Ich zumindest habe keine einzige Frau auf den Bildern gesehen. Warum? Sind sie nicht Teil der Revolution, obwohl auch sie ihre Opfer gebracht haben, wie zum Beispiel die Libyerin, die in ein Hotel mit ausländischen Journalisten gestürmt ist und sozusagen vor Augen der Weltöffentlichkeit über Vergewaltigungen durch Gaddafis Soldaten berichtet hat?
Müssen libysche Frauen zuhause bleiben, wenn es dunkel ist während ihre Männer den Sieg feiern? Warum ist das so?

Ich persönlich befürchte, dass in Libyen zwar ein Diktator abgelöst werden wird, aber es kein politisches System geben wird, wie es sich „der Westen“ erhofft, geschweige denn, dass es die Libyer besser machen als wir und eine echte Demokratie schaffen, nicht eine Pseudo-Demokratie europäischen Stils, in der die Wirtschaft und korrupte Politiker dem Volk ihren Willen aufzwingen.
Ich hoffe, dass ich mich irre, aber das Fehlen der Frauen bei den aktuellen Bildern über feiernde Rebellen, verstehe ich als ein Fortbestehen eines patriarchalischen Systems, in dem Frauen den Männern untergeordnet sind. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass es nur diesen Anschein macht – das hoffe ich auch.


Wer wird in Libyen herrschen?

Viel erklärend ist auch die Aussage des finnischen Außenministers Erkki Tuomioja, der sagte, dass Finnland bereit sei nach dem Bürgerkrieg ziviles und militärisches Krisenmanagement in Libyen zu leisten. Ich schließe daraus, dass es wohl westliche Pläne geben muss sowohl zivil, als auch militärisch in einem Libyen nach Gaddafi präsent zu sein, also Einfluss zu nehmen. Ob das so eine gute Sache ist, wage ich zu bezweifeln, da – meiner Erinnerung nach – die libyschen Rebellen eine Anwesenheit von ausländischen Truppen einmal abgelehnt haben. Abgesehen davon, kann es äußerst kontraproduktiv sein, wenn Europäer in die zu erwartenden Machtkämpfe nach dem Sturz Gaddafis verwickelt werden.

Wegen geostrategischer Interessen (Erdöl, Kontrolle der afrikansichen Flüchtlingsströme) wird sich Europa bzw. die europäischen, pseudo-demokratischen Machthaber wohl in Libyens Innenpolitik einmischen. Ob das dazu beiträgt, dass im neuen Libyen ein wahrhaft demokratischer Staat entsteht, bleibt fraglich.
Welche Kräfte im Libyen nach Gaddafi die Oberhand haben werden und ob es zur Entstehung eines wirklich demokratischen Staates kommt, der von den Fehlern der westlichen Pseudo-Demokratien lernt, muss man abwarten.
Fest steht, dass der Westen bzw. Europa da ein Wörtchen mitreden werden wollen, mit möglicherweise negativen Folgen für das libysche Volk. Auch scheint fraglich, ob libysche Frauen vom Joch eines patriarchalischen Systems befreit werden. Vielleicht wird eine Diktatur durch die andere ersetzt. Rattenfänger der Revolution gibt es auch in Libyen.

Die Gefahr, dass das Ergebnis der libyschen Revolution für viele ernüchternd oder enttäuschend sein wird, ist leider groß.

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